Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
Vom Netzwerk:
Kommando.
    Ich zog meine völlig durchnässten Schuhe aus und blickte mich um, während ich meine Füße und Beine massierte. Der Bach floss ohne uns weiter, doch etwas weiter flussabwärts veränderte sich sein Ton. Das Plätschern wurde zu einem wilderen, lauteren und einsameren Rauschen. Auch lichtete sich das Dickicht der Bäume ein wenig und anstelle des dunkelgrünen und braunen Hintergrunds wurde ein hellblauer sichtbar. Wie ein Krankenhauspatient, der zum ersten Mal das Bett verlässt, humpelte ich, gefolgt von Homer, zum Rand der Lichtung. Wir gingen ein paar Meter in den Baumgürtel hinein, dann blieben wir stehen. Wir waren am Ziel: Vor uns lag das Holloway Valley.
    Die meisten Menschen würden den Anblick wahrscheinlich nicht einmal besonders schön finden. Der Sommer war trocken gewesen, und obwohl die flussnahen Ebenen in ein sanftes Grün getaucht waren, lagen die Weiden jenseits von Risdon in ihrer verbrannten und ockerfarbenen Eintönigkeit da, die so sehr Teil meines Lebens war, dass ich sie verinnerlicht hatte. Das saftige Grün unseres Frühlings und Frühsommers hielt nie sehr lange an. Dieses trockene monotone Gelb war mir vertrauter; so vertraut, dass es in mich übergegangen sein muss, denn irgendwann wusste ich nicht mehr mit Sicherheit zu sagen, ob es zwischen mir und dieser Landschaft noch Grenzen gab. Einer unserer Lehrer, Mr Kassar, der ein Jahr lang in England gelebt hatte, erzählte uns, wie ihm das Herz vor Liebe wehtat, als er zum ersten Mal die sonnenverbrannten Ebenen wiedersah. Ich verstand ihn gut; sehr gut sogar.
    Es war natürlich kein durchgehendes Gelb; es war von den dunkelgrünen Punkten der Bäume und den Linien der Windfänge unterbrochen, dem Blitzen der Wellblechdächer, die aussahen wie kleine quadratische Wasserstellen, den Speichern und Schuppen, den Viehgehegen und Dämmen, den endlosen langweiligen Zäunen. Das war mein Land, mehr noch als der Busch und die Berge und ungleich mehr als die Städte. Dieses glühend heiße, raschelnde Weideland war mein eigentliches Zuhause.
    Einstweilen lagen jedoch noch eine zerklüftete Felswand und eine Menge Busch zwischen uns und dem Tal. Wir waren am Fuß des Mount Turner entlanggegangen, ohne es zu bemerken, denn er lag auf einmal viel weiter links. Homer und ich standen am Rand einer der niedrigsten Steilwände, dort, wo der Bach in einem langen dünnen Strom fünfzig Meter in die Tiefe stürzte, um wieder gurgelnd und plätschernd im Gestrüpp zu verschwinden. Der Busch da unten sah so dicht und undurchdringlich aus wie das Dickicht der Hölle, das wir gerade hinter uns gelassen hatten.
    »Ein Glück, dass Kevin nicht hier ist«, sagte Homer, den Blick nach unten gerichtet.
    »Wieso? Wie kommst du darauf?«
    »Wusstest du das nicht? Er hat Höhenangst.«
    »Also ehrlich! Gibt es etwas, wovor er sich nicht fürchtet? Dabei hat er immer auf starker Mann gemacht.«
    »Am Ende war er's dann wohl wirklich.«
    »Auch wahr.«
    Wir kehrten zu den anderen zurück und erzählten ihnen, was wir entdeckt hatten. Wir ließen unsere Rucksäcke liegen und wanderten am Rand der Klippe entlang, um einen Abstieg zu finden.
    »Schwer an der Grenze zum Bungeejumping ...«, sagte Lee nach zehn Minuten.
    »Wir müssen einen Weg finden, der uns auch wieder hinaufbringt«, sagte Robyn, die wie immer praktisch dachte.
    Bald darauf wurden die Klippen unpassierbar, dicht mit Bäumen bewachsen, an mehreren Stellen unmittelbar in die Tiefe brechend und mit gefährlich glatten Felsplatten. Wir gaben auf und versuchten es in der entgegengesetzten Richtung, kamen noch einmal am Bach vorbei und stießen auf noch mehr spiegelglatte Schieferplatten. Am Ende blieb nur eine Möglichkeit: ein Baum, der über den Rand der Klippe in die Tiefe gestürzt und dort gestorben war. Sein nacktes weißes Skelett lehnte an der Felswand; Äste ragten wie Knochen rundherum hervor und ließen ihn aussehen wie eine natürliche Trittleiter.
    »Jesus«, sagte Fi mit ihrer großmütterlichen Stimme, während wir am Rand standen und hinunterblickten.
    »Kommt nicht in Frage«, meinte Lee.
    »Es müsste gehen«, sagte Robyn.
    »Ich bin nicht krankenversichert«, sagte Lee.
    »Wir hätten Seile mitbringen sollen«, sagte Homer.
    »Wir hätten einen Fahrstuhl mitbringen sollen.«
    »Ich denke, es geht«, sagte ich. »Wenn einer zuerst ohne Rucksack geht und es schafft, können wir uns immer noch überlegen, wie wir die Rucksäcke nach unten bringen.«
    Sie sahen mich alle an, während

Weitere Kostenlose Bücher