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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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ich sprach, und sie sahen mich immer noch schweigend an, als ich fertig war. Ich begann mich unbehaglich zu fühlen.
    »Wer hat die Idee gehabt, dass wir diesen Ausflug machen?«, fragte Homer.
    Sie sahen mich immer noch an. Ich seufzte und schickte mich an meinen Rucksack abzunehmen. Bildete ich mir das nur ein oder drängten sie sich alle um mich, während sie mich zum Rand der Klippe eskortierten? Anscheinend hatte ich exakt zwei Möglichkeiten, wie ich mich aus der Affäre ziehen konnte: eine, die keine war, und noch eine, die auch keine war. Auf den Knien und im Rückwärtsgang rutschte ich auf den Rand der Klippe zu.
    »Halt dich an meiner Hand fest«, sagte Homer.
    »Das ist sinnlos. Wenn wir hier nur runterkommen, indem wir uns gegenseitig festhalten – was macht dann der, der übrig bleibt?«
    Der Baum lehnte rund drei Meter unter mir an der Wand, da aber der Rand der Klippe nicht senkrecht, sondern in einer abgerundeten Kante nach unten fiel, musste sein Sockel zu erreichen sein. Die größten Probleme würde mir das lose Geröll bereiten und die Tatsache, dass ich mit meinen Füßen auf dem Sockel des Baumes landen musste. Unter Robyns Anweisungen brachte ich mich in die richtige Position und lag dann mehrere Sekunden ausgestreckt in der Wand. Ich musste einen Sprung ins Ungewisse wagen. Besser gesagt einen Rutsch ins Ungewisse. Ich holte Luft, schluckte und ließ los. Der Rutsch dauerte nur eine Sekunde, die mir aber grauenhaft lang vorkam, denn ich hatte genug Zeit, mir zu überlegen, was wohl wäre, wenn ich den Baum verfehlte und bis in alle Ewigkeit weiterrutschte. Ich drückte mich mit aller Kraft in das Geröll und krallte meine Finger in die Oberfläche des Felsens. Dann berührten meine Füße den abgebrochenen Stamm und unmittelbar darauf umklammerte ich ihn mit den Beinen. Ich glitt noch ein Stück weiter, bis ich den alten weißen Stamm auch mit den Armen umschlang, dann schloss ich die Augen und drückte mein Gesicht gegen das nackte Holz.
    »Alles in Ordnung?«, rief Robyn von oben.
    »Ja, ja.« Ich öffnete die Augen. »Aber glaubt ja nicht, dass ich wieder raufkomme.«
    Ich richtete den Blick nach unten und suchte nach einem Halt für meine Füße. Die toten Äste, die wie Dornen aus dem Stamm ragten, verliefen in regelmäßiger Anordnung bis nach unten. Von nun an würde es ein Kinderspiel sein. Ich stellte meinen linken Fuß auf den ersten Ast und verlagerte mein Gewicht darauf, indem ich mich erleichtert aufrichtete. Keine Sekunde später brach der Ast ab. Sofort klebte ich wieder am Stamm, gleichzeitig prasselten von oben die Ratschläge auf mich herab. »Halte deine Füße möglichst nahe am Stamm.« – »Leg nicht dein ganzes Gewicht auf einen Ast.« – »Überprüfe erst jeden Ast.« Das waren vernünftige Vorschläge, aber ich wäre auch von selbst draufgekommen. Ich war so verschwitzt, dass mein T-Shirt an meinem Körper klebte und meine Stirn glühte. Ich biss die Zähne zusammen und tastete nach dem nächsten Ast.
    Indem ich meine Füße so nahe am Stamm hielt, dass sich die Sohlen meiner Schuhe wie eine Zange um ihn legten, kam ich langsam voran. Wanderschuhe waren für diese Art von Kletterei nicht ideal, aber ich hatte keine anderen. Insgesamt brauchte ich fünf Minuten, die mir wie fünfzehn vorkamen, doch dann stand ich mit vor Erleichterung klopfendem Herzen endlich wieder auf festem Boden, den Busch im Rücken.
    »Kommt schon«, schrie ich.
    »Und die Rucksäcke?«
    »Steckt euch die zerbrechlichen Sachen in die Taschen und werft die Rucksäcke herunter.«
    Und das taten sie. Wir hatten nur wenige zerbrechliche Gegenstände: Taschenlampen, das Radio, ein Fernglas. Gleich darauf musste ich den Rucksäcken ausweichen. Ich bin sicher, sie zielten nicht mit Absicht auf mich. Nun, fast sicher. Und ich widerstand der Versuchung, den Stamm anzuzünden, während sie einer nach dem anderen herunterkamen.
    »Wir müssen uns irgendwo ein Seil besorgen«, sagte Homer, als alle ein wenig atemlos unten angekommen waren. »In Risdon vielleicht. Irgendwie müssen wir da ja wieder hoch.«
    Durch den Busch führte kein Pfad und die Bäume standen dicht beisammen. Die nächste Quälerei. Wir überquerten einen Kamm, gingen eine Reihe von Felsblöcken entlang, die buchstäblich eine Mauer bildeten und irgendwann einen schmalen Durchgang freigaben, und folgten ihnen bis an ihr Ende. Danach mussten wir uns wieder durch das Gestrüpp kämpfen. Für einen Kilometer brauchten wir ungefähr eine

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