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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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also am Fuß des Baumes auf Robyn, während Homer mit einem Zweig den Boden kehrte, um unsere Spuren zu verwischen. Wir mussten unbedingt dafür sorgen, dass nichts die Aufmerksamkeit auf unsere Leiter lenkte. Plötzlich spürte ich Lees Hand, die nach meiner tastete und einen kleinen Gegenstand in sie hineinlegte. Er war ganz warm und pelzig und eine Sekunde lang dachte ich, es wäre etwas Ekelhaftes. Ich senkte den Blick und verzog dabei den Mund, doch in meiner Hand lag mein schokobrauner Teddybär Alvin, nicht größer als eine Zigarettenschachtel, mit nur noch einem Auge und ausgefransten Ohren und einem großen Flicken über dem Hintern, aber mein Alvin, mein Bär.
    »Ach, Lee«, sagte ich mit Tränen in den Augen. »Ich dachte schon, ich hätte ihn verloren.«
    Damit wollte ich auch sagen: »Und ich dachte, ich hätte dich verloren.«
    Er zuckte mit den Schultern, aber ich wusste, dass er sich freute.
    »Wie hast du ihn nur gefunden? Oh, Lee, ich habe plötzlich solche Angst vor dir gehabt. Du schienst so anders.«
    Meine letzten Worte beachtete er nicht, stattdessen beantwortete er meine Frage.
    »Ich habe ihn aus deinem Zelt geholt.«
    »Was? Wie denn?«
    »Ich bin hineingekrochen, um dort auf dich zu warten. Du warst die Einzige, mit der ich nach der Sache auf der Straße sprechen wollte. Dann ging die Schießerei los. Alvin lag auf dem Boden, genau zu meinen Füßen. Ich hob ihn noch rasch auf, bevor ich mich verzogen habe.«
    »Wo bist du hin?«
    »Ich bin auf allen vieren davongekrochen, bis ich Deckung fand.«
    »Wie? Wo denn?«
    »Hinter mehreren Leichen.«
    »Hinter Leichen?«
    »Es waren vier. Sie haben im Essbereich beisammengesessen. Als sie erschossen wurden, sind sie in einer Reihe umgefallen und lehnten irgendwie einer an dem anderen. Ich versteckte mich hinter ihnen.«
    »O mein Gott.«
    »Dort blieb ich, bis die Soldaten in das Lager kamen. Sie hatten mehrere Gefangene gemacht. Ansonsten waren alle tot. Als ich sah, was sie mit den Leichen machten und dann mit den Gefangenen, rannte ich los.«
    »Haben sie dich gesehen?«
    Inzwischen war Robyn zurückgekommen, und obwohl es höchste Zeit war, den Baum hinaufzuklettern, waren wir durch Lees Geschichte wie hypnotisiert.
    »Ja, aber sie konnten nicht auf mich schießen, weil sie ihre eigenen Leute getroffen hätten. Sie waren nicht besonders organisiert. Als ich aus dem Lager raus und wieder im Busch war, feuerten sie hinter mir her. Damit hatte ich aber gerechnet. Ich bewegte mich im Zickzack, duckte mich auf die Erde und hinter die Bäume. Ich sah dann noch, wie sie begannen die Zelte anzuzünden. Sie sind mir nicht gefolgt.«
    »Mir schon«, sagte Fi leise.
    »Ja, weil du ein Mädchen bist«, erwiderte Lee grimmig. »Ich habe gesehen, was sie mit den Frauen gemacht haben, die noch am Leben waren.«
    Homer begann den Baum hinaufzuklettern.
    »Und dann? Was geschah dann?«, drängte ich ihn.
    »Ich rannte und rannte. Als ich endlich wieder ruhiger war, hatte ich mich verlaufen. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass ihr hier sein könntet, falls ihr noch am Leben wart. Zuerst musste ich aber den Weg finden.«
    Robyn begann gerade Homer den Baum hinauf zu folgen und Fi stellte sich an, um als Nächste zu gehen.
    »Was war in der Feuerschneise?«, fragte ich.
    »Na ja, als sie zu schießen begannen, rannte ich weg. Als ich merkte, dass ich euch verloren hatte, dachte ich, ich gehe am besten direkt ins Lager zurück.«
    »Danke für den Bären«, sagte ich, den Blick auf die Steilwand gerichtet. Mir ging alles Mögliche durch den Kopf, ich fragte mich, wie lange diese Wand noch stehen und was sie wohl noch alles zu sehen und zu hören bekommen würde. Ich wünschte mir, ich könnte ihre Geschichte aufschreiben, etwas tun, das Bestand hatte, etwas, das gut war. Ich wandte mich an Fi.
    »Komm schon, Fi aus Wirrawee. Mach's wie ein Koala. Mach's wie Alvin.«
    Ich legte mir das Gewehr des toten Soldaten über den Rücken und ließ die drei nicht mehr aus den Augen. Homer war oben angekommen und stand nun auf dem breiten Sockel des alten weißen Baumes, der mit der Spitze voraus in den Abgrund gestürzt war. Robyn war direkt hinter ihm. Fi bewegte sich langsam auf die beiden zu.
    »Ich hab doch gesagt, wir hätten ein Seil mitbringen sollen«, rief Homer nach unten.
    »Erinnerst du dich an die Geländeübungen?«, sagte Robyn. »Du musst die Zehen eingraben und mit den Fingerspitzen klettern.«
    Das war alles, was wir über das Klettern am blanken Felsen

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