Ein Engel an Güte (German Edition)
befehle.»
Zitternd wie Espenlaub zog Momolino sich vom Schlüsselloch zurück und näherte sich dem Ohr des Maskierten.
« Es sind die Papiere, die er auf dem Schreibtisch bereitgelegt hat», flüsterte er,«aber sputet Euch, denn er hat Feuer gemacht und schickt sich an, sie zu verbrennen.»
« Ist gut», erwiderte der Unbekannte und ging mit den beiden anderen voran; während sich Momolino, sobald er sah, dass der Ausgang frei war, aus dem Staub machte. Im selben Augenblick hatte Giannozzo mit einer Hand die Tür zum Kabinett aufgestoßen und sich mit einem Messer in der anderen Hand auf den Grafen gestürzt. Er hatte ihn bei der Gurgel gepackt und ihm zugeraunt:« Keinen Mucks!»
Selbst wenn er es gewollt hätte, hätte der Graf keinen Mucks von sich geben können; den Kopf auf den Tisch niedergedrückt, erwartete er jeden Augenblick, den kühlen Stahl der Klinge, die er mit einem Male jählings in der Luft hatte aufblitzen sehen, an der Kehle zu spüren. Doch daraus wurde nichts. Er fühlte nur, wie sich eine Binde um seine Schläfen legte, ihm ein Seil um Hände und Füße geschlungen und ein Knebel in den Mund geschoben wurde. Niemals hätte der gute Graf gedacht, dass der treue Marco ihm für die geringe Entlohnung von fünfzig Zechinen eine derartige Behandlung angedeihen lassen könnte. Der Maskierte hatte indessen auf dem Schreibtisch die von Momolino genannten Papiere zusammengerafft und in einen Sack gesteckt, den er unter dem Mantel trug. Als alles erledigt war, ging er hinaus, die anderen beiden hoben den Grafen hoch und folgten ihm. Als sie durch das Pförtchen, das auch dem Cavalier Terni so vertraut war, auf die Straße hinausgetreten waren, wollte der Sbirrenführer es schließen.
« Warte!», flüsterte der Maskierte ihm zu, löschte die Lampe und trat zu ihm hin, wie um die Tür zu schließen; doch sobald er dicht bei ihm war, holte er eine Faust unter dem Mantel hervor und schlug ihm damit so hart und gezielt auf den Schädel, dass der treue Marco keine Zeit fand, sich zu schützen oder auch nur ein Stoßgebet zu sprechen. Wie tot sackte er nach hinten und ließ dabei die Schultern seines Herrn los, der seinerseits mit dem Kopf auf der Stufe aufschlug und aus seiner Kehle ein Gurgeln vernehmen ließ, das ganz bestimmt nicht von Wohlbehagen herrührte. Der Unbekannte packte den Körper des Sbirren an den Beinen, schleifte ihn durch das Türchen nach innen und schloss es dann hinter ihm. Dabei brummte er:«Bleib da liegen, du Judas, so bist du noch einmal zu gebrauchen, und von den fünfzig Zechinen, die du kassiert hast, kannst du dir die Nase und die vier Zähne, die dir fehlen, richten lassen!»
Dann packte er den Grafen an den Schultern, und so trugen er und Giannozzo ihn gute zwei Meilen weit, schneller, als man bei einer solchen Last hätte vermuten sollen. Als sie in einem Tal in ein Kastanienwäldchen gelangten, verließ Giannozzo seinen Gefährten einen Augenblick und kam bald darauf zurück, drei Maultiere am Zügel führend.
« Es war abgemacht, dass der Cavaliere zu dir nach Haus kommt, nicht wahr?», flüsterte der Maskierte Giannozzo ins Ohr.
« Ja», antwortete dieser,«so will die Ratte es da oben am Schlüsselloch gehört haben.»
« Nun gut, wohlan und frisch ans Werk!», erwiderte der andere immer noch leise.
Sie luden den Grafen auf eins der Reittiere, ungefähr so, wie Mazeppa 103 dargestellt wird, und nachdem sie ihn gut festgebunden hatten, bestiegen sie die beiden anderen Tiere und ritten in munterem, sicherem Trab davon. Bei Mondenschein ging es auf verlassenen Wegen, über einsame Felder und taufunkelnde Wiesen dahin, und so gelangte der kleine Zug schließlich bis an die Grenze des Mantello, wo Giannozzo seine Hütte hatte. Dort legten sie ihre Last, die wie ein Kohlesack in ihren Armen hing, in einem Hinterzimmer ab, und nachdem einige Fesseln, die sich durch das Gerüttel unterwegs gelockert hatten, wieder festgezurrt waren, nahm man dem armen Grafen den Knebel aus dem Mund und fragte ihn, ob er das Unglück habe, noch am Leben zu sein. Diese Frage richtete Giannozzo mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit an ihn, doch als Carmini nicht antwortete, zog der im Mantel ärgerlich eine Flasche Schnaps aus seiner Jacke hervor und übergoss ihm damit großzügig Nase, Mund und Gurgel. Erst da schüttelte der Unglückselige sich und murmelte ein klägliches«O Gott!», wobei er vor Schmerz eine Grimasse schnitt, weil seine Zunge vom Druck des Knebels immer noch gelähmt
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