Ein Engel an Güte (German Edition)
war.
« O Gott», wiederholte Giannozzo, wie um ihn nachzuäffen.«Hat man den Grafen je mit so sanfter Stimme sprechen hören! Bleiben Sie ein, zwei Wochen bei uns, und wir werden Sie besser singen lehren als Ihr allerliebstes Töchterlein, wenn sie ihre Verehrer bezirzt!»
« Still!», rief Tramontino, den Finger auf den Lippen.
Der Graf machte eine Bewegung, wie um zu erproben, wie weit er sich bewegen konnte; der Versuch fiel nicht zu seiner Zufriedenheit aus, und er wiederholte dieses«O Gott»in weinerlicherem Tonfall.
« Hab ich dir’s nicht gesagt?», fing Giannozzo mit verstellter Stimme wieder an.«Hör doch nur, was für eine Nachtigall...! Armer Mann! Aber trösten Sie sich, spätestens morgen wird ein guter Arzt Sie von allen Leiden kurieren...!»
Bei diesen Worten machte Giannozzo zu seinem Gefährten gewandt eine Bewegung, wie die Köchin, wenn sie dem Huhn den Hals umdreht, und unter der Maske hervor erschallte ein teuflisches Lachen. Der Graf wurde seinen eigenen Gedanken überlassen, und die beiden Entführer kehrten in das vordere Zimmer zurück, wo sie sich auf ein Strohlager warfen und zu schlafen versuchten. Der Schlaf des Maskierten schien jedoch nicht allzu fest zu sein, denn als zwei Stunden später draußen dreimal ein ganz leiser Pfiff ertönte, sprang er mit einem Satz auf, rüttelte Giannozzo am Arm und rief:«Da ist er, da ist er!»
« Wer...? Was...?», fragte der Holzfäller, sich die Augen reibend.«Ach ja, ich gehe schon!», sagte er, sobald er Heute und Morgen wieder ins richtige Verhältnis zueinander gesetzt hatte. Während sein Gefährte nach dem Grafen sah, trat er aus der Hütte hinaus und ging dem Cavalier Terni entgegen, der sich ganz verwundert nach allen Seiten umsah; wo er Aufruhr und Getümmel erwartet hatte, lag alles still im Schlaf, und er fragte sich schon, ob diese Helligkeit, die dort hinten heraufzog, die Morgendämmerung war oder doch eher der Mond und ob er sich nicht vielleicht um zwei Stunden vertan hatte. Als er Giannozzo sah, war er etwas erleichtert, und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
« Signor Cavaliere», sagte der Holzfäller.
Sehr irritiert ging Celio ihm entgegen, Gesicht und Stimme angespannt.«Seid ihr also bereit? Wohlan, es ist Tag!», sagte er.«Die aus Treviso können jeden Augenblick kommen!»
« Viva San Marco!», rief Giannozzo und warf seinen Hut in die Luft.
« Was faselst du denn da von San Marco?», fragte Celio, der diesen Ruf für einen Scherz nehmen wollte, aber das Lachen blieb ihm in der Kehle stecken.
« Ich lasse den guten San Marco hochleben, der uns armen Schluckern Gerechtigkeit gebracht hat», entgegnete der Holzfäller,«und uns erlaubt, im Mantello Holz zu schlagen wie seit eh und je.»
« Ach was, du machst nur Spaß, Giannozzo», sagte Celio und setzte den Fuß auf die Schwelle der Hütte.
« Spaß ist es wohl, aber er geht ans Leben», antwortete der andere, ihn am Arm zurückhaltend.« Inzwischen rate ich Ihnen zu Ihrem Besten, wieder ins Bett zurückzukehren, Verehrtester ...!»
Celio schnaubte vor Wut, als er den Mann so reden hörte; er sah sich nach allen Seiten um, als hoffe er, seine Verbündeten aus Treviso, mit denen diese Stelle für drei Uhr als Treffpunkt vereinbart war, zwischen den Eichen hervorspringen zu sehen wie die Seelen im Zaubergarten der Alcina.
« Halten Sie Ausschau, ob die Freunde kommen?», fragte Giannozzo, indem er mit spöttischer Geste nach Osten wies.
« Ja, und ich schaue, wohin es mir beliebt!», rief Celio aufsässig.
« Nun, so will ich Ihnen sagen, wie die Dinge liegen», sagte Giannozzo.«Die Herrschaften können nicht kommen, weil sie verhindert sind. Stellen Sie sich vor, gestern Abend waren sie alle mitsammen bei den Herren Inquisitoren in Venedig geladen!»
« Ah, Verräter!», schrie Celio und streckte den Holzfäller, dessen Riesenkräfte durch Überraschung bezwingend, am Eingang der Hütte nieder.
« Immer gemach mit diesem ‹Verräter›!», ertönte eine Stimme aus dem Inneren, und der Mann mit der Maske trat an die Schwelle.«Denken wir erst ein wenig nach, bevor wir dieses Schimpfwort vergeben.»
Beim Ton dieser Stimme lockerte der Cavaliere den eisernen Griff, mit dem er Giannozzo umklammert hielt, woraufhin dieser sich zähneknirschend aufrichtete und gewillt schien, es ihm heimzuzahlen.
« Sache, sachte, Bergwolf!», sagte da der Unbekannte zu ihm.«Der Cavaliere hat so unrecht nicht, ich hätte ihm die Sache erst auseinandersetzen sollen. Das
Weitere Kostenlose Bücher