Ein Engel an Güte (German Edition)
tot und am ganzen Leib zerschlagen am Boden liegen blieb.
Tramontino hatte sich an dem Handgemenge ergötzt, und er selbst war es, der diesem ein Ende setzte, damit am nächsten Tag alles wieder von vorne losgehen könne. Er schloss das Türchen und murmelte mit seinem teuflischen Lächeln:«Dieses Vergnügen habe ich mir mit meinem Gewissen erkauft, und ich habe ein Recht darauf, es auszukosten! »Dann stieg er in ein Vorzimmer hinunter, wo er auf einen Mann in ziemlich prunkvoller Aufmachung traf, der ihn zu erwarten schien und dem er ein paar Worte ins Ohr flüsterte.
« Danke, das freut mich ja ganz unbändig...! Ha, ha...», versetzte dieser und bog sich vor Lachen.
« Ich bin froh, Euch diese Freude bereiten zu dürfen», antwortete Tramontino und ging dorthin zurück, woher er gekommen war.
Die Persönlichkeit, die da in diesem Salon auf den Gerichtsdiener der erlauchten Inquisitoren wartete (dieses Amt bekleidete nämlich Tramontino), war niemand Geringeres als jene berühmte Exzellenz Pitocca, die Formiani in seinen Unterredungen mit dem Cappanera so häufig erwähnte. Und wahrhaftig hatte dieser Mann etwas an sich, was jedem die Zunge löste. Man denke sich einen armen Bernabotto, Säufer und Weiberheld, verfressen und schwatzhaft wie nur ein Margutte 112 der neueren Zeiten, der sich allein durch sein bescheidenes Talent die Freundschaft und das Vertrauen der höchsten Würdenträger der Republik erringt, gleichzeitig aber auch die Verehrung sämtlicher Tunichtgute auf der Piazza; der sich der Gunst der Ersteren ebenso wenig rühmt, wie er sich der Gesellschaft der Zweiten schämt, sondern mit Fischhändlern, Gondolieri und Zöllnern verkehrt und die ganze Nacht hindurch mit ihnen zecht, um tags darauf in den Palazzi aufzutauchen und in vergoldeten Sesseln zu sitzen, im selben Anzug und mit demselben Geschwätz auf den Lippen.«So», pflegte er stolz zu sagen (und das war der einzige Anlass, bei dem er sich ein wenig brüstete),«so hat das Benehmen des echten venezianischen Edelmannes auszusehen! Gleich leutselig mit jedermann!»Weder fühlte er sich entehrt durch die Kunst, die er ausübte, noch hielt er sich für etwas Geringeres als alle anderen, wenn er das namen- und gestaltlose Gelichter anführte, das in den Nachtstunden sein Handwerk verrichtet; im Gegenteil, er rühmte sich, dass er mit seinem Geschäft die altehrwürdige Handelstradition des venezianischen Patriziats fortsetze; ein Geschäft ganz neuer Prägung freilich, offen gestanden, war doch die Handelsware recht flüchtig und fand samt und sonders Platz in seinem Kopf, dennoch belegte er es mit diesem ehrbaren Namen.
Rundheraus gesagt, er war das Muster eines Spitzels, der Mittelpunkt der Spitzel, der Mann, in dessen Händen sämtliche Fäden dieses übel riechenden venezianischen Intrigengespinsts zusammenliefen. Und auf dieses Amt verwendete er nicht weniger Einfallsreichtum und Eifer als jeder andere Beamte auch; und da der persönliche Vorteil nun einmal eine viel mächtigere Triebfeder ist als das öffentliche Wohl, ruhte er nie, weder beim Essen noch beim Trinken noch bei den Frauen, und wahrscheinlich heckte er selbst im Schlaf noch irgendwelche Ränke aus, um diesen einen zum Vorteil jenes anderen hereinzulegen.
Mit Tramontino zum Beispiel – dessen Bekanntschaft er für sehr nützlich hielt – hatte er sich auf den Stufen der Riva angefreundet, wo dieser nach seiner Verwandlung vom Gefangenen zum Gefängniswärter lange Stunden in Betrachtung des Mondes hinbrachte und sich das Herz zermarterte. Der Venezianer zeigte sich von Tag zu Tag mehr zu seinem neuen Freund hingezogen, der hatte aber in Wahrheit keine große Eile, diese Neigung zu erwidern. Doch da große Leidenschaften nun einmal zum Überfließen neigen, kam schließlich der Tag, an dem Tramontino, müde, die Geschichte von sich und seinem Todfeind, dem Grafen Carmini, immer nur sich selbst zu erzählen, dieselbige dem Bernabotto anvertraute. Zwar kannte der durchtriebene Kerl die ganze Geschichte längst in allen Details, tat jedoch erstaunt und hörte sich alles von Anfang bis Ende mit offenem Mund an. Diese gespannte Aufmerksamkeit trug ihm, wie man sich denken kann, die volle Sympathie des schlichten Tramontino ein, der ihm dann unter dem Siegel der Verschwiegenheit von der Unternehmung in Fonte und der Entführung des Grafen Fabio berichtete, und zuletzt offenbarte er ihm im Flüsterton das widrige Geschick des Grafen, der seinen schlimmsten Feinden in die
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