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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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Gedränge von Augenblick zu Augenblick größer wurde; und er ging und ließ sich an der Todero-Säule nieder. Dort glaubte er, die Gondeln besser beobachten zu können, ohne wie ein Jagdhund hin- und herhetzen zu müssen.
    « Die Arme!», murmelte der gute Alte vor sich hin.«Ja, freilich hat sie Herzweh...! Wenn es nicht so wäre, würde ich mich ja nie dazu hergeben... Genug! Gott sieht in mein Herz und wird mir meine guten Absichten anrechnen, wann auch immer das sein wird...! Schließlich und endlich ist ja nichts Böses dabei...! Es geht um ein letztes Wiedersehen...! Und dann wird dieser Bruder Leichtfuß auch Vernunft angenommen haben. Und wenn nicht, dann habe ich ein paar Wörtchen für ihn parat, die ihn schon dazu bringen sollen...! Seine Exzellenz, dieser Schelm, hatte es ja wirklich gut eingefädelt...! Aber er ist ein braver junger Mann; ja, wahrhaftig, und mit einem großen Herzen; und wenn ich ihm sagen würde: ‹Ihr müsst wissen, so und so und so ...›, dann bin ich sicher, dass er eher durchs Feuer gehen würde, als... Und dann; ja, ich wette, er hört mich nicht einmal an...! Ich wette, dass er vorläufig keinen Fuß mehr ins Haus des Inquisitors setzen mag; ich wette, schon um der Ehre willen, um nicht Anlass zu geben...»
    In diesem Augenblick näherte sich eine vierrudrige Gondel dem Ufer; und noch bevor sie angelegt hatte, sprang ein Cavaliere heraus und stürzte, den Hut in der Hand, auf den Dogenpalast zu. Bei der Riesentreppe 113 angelangt, fühlte er, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte, und er wandte sich um.«Chirichillo!», rief er überrascht, erfreut und verdrossen zugleich über diese Begegnung.
    « Ich bin’s, Signor Celio!», sagte der Gerichtsschreiber.« Seien Sie so gut und kommen Sie von dieser Treppe herunter, damit ich Ihnen im Vertrauen ein paar Worte sagen kann.»
    « Ich komme», antwortete der Cavaliere, sich wie vor inneren Schmerzen windend.
    Als sie beim Hofbrunnen angekommen waren, flüsterte Chirichillo:«Signora Morosina müsste mit Ihnen sprechen!»
    Bei diesen Worten wurde der Cavaliere mit einem Schlag besänftigt, ruhig und heiter. Der Schreiber dagegen wurde etwas verdrießlich und sah ihn scheel an.
    « Gehen wir, gehen wir!», sagte der Cavaliere und zog den alten Mann am Arm.«Wo ist Morosina? »
    « Im Palazzo Formiani», antwortete der Schreiber knapp und rührte sich nicht vom Fleck.
    Als er dies hörte, kam Celio wieder zu sich, und augenblicklich erlosch die jäh aufgeflammte Seligkeit in seinem Herzen und auf seinem Gesicht.
    « Grüßt sie in meinem Namen», versetzte er nach einer kleinen Weile und senkte den Kopf.« Sagt ihr, sagt ihr ...», fuhr er fast weinend fort,
    « sagt ihr... dass ich ...»Doch dann, wie um nicht erneut einer Anwandlung von Schwäche zu erliegen, stürzte er davon, die Hände am Kopf, und Chirichillo sah ihn, wie er, vier Stufen auf einmal nehmend, die Riesentreppe hinaufstürmte.
    « Was für ein Herz!», sagte er und trocknete eine Träne.«Aber recht hat er, die Ehre über alles...! Vielleicht ist es auch besser so...! Meinem Engelchen geht es schlecht, aber wenn die Seele zugrunde geht, ist das schlimmer, als wenn der Körper darbt...! Verflixt! Feuer ans Stroh halten... ein-, zweimal geht das gut, aber beim dritten Mal ist das Stroh trocken, und mit einem Mal geht alles in Flammen auf...! Ah, Seine Exzellenz kennt sich aus, aber da ist Einer über ihm, der sich noch besser auskennt!»
    Hier schlug er die Augen zum Himmel auf und nahm den Hut vom Kopf; in derlei Gedanken versunken, kehrte er sodann auf den langen Umwegen, zu denen Fußgänger in Venedig nun einmal genötigt sind, zum Palazzo Formiani zurück.
    Unterdessen hatte Celio die Treppe erklommen, in dem heroischen Entschluss, eher zu sterben und Morosina nie mehr wiederzusehen, als auch nur einmal noch einen Fuß in den Palazzo des Inquisitors zu setzen und damit Anlass zu üblen Verleumdungen zu geben. Doch auf der Loggia angelangt, hatte dieser Vorsatz sich gleichsam in eine Wolke gehüllt, und vor seinem Geist stand einzig und allein der darin enthaltene düstere, schreckliche Gedanke – sie nie mehr wiedersehen! Im ersten Aufbrausen hatte Stolz seinem Heroismus als Stütze gedient; jetzt aber, so ganz alleingeblieben, erschien ihm der Schmerz unerträglich. Was tun, was sagen angesichts dieses«nie mehr»? Er begann seine Schritte zu verlangsamen, wurde langsamer und langsamer, bis er sich an eine Brüstung lehnte, von wo aus sein Blick

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