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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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ganze Schlüssigkeit dieser Gedankengänge, doch nicht gewohnt, in den heiteren Gefilden der Gerechtigkeit zu wandeln, sondern ganz einer leichtfertigen, betrügerischen Welt verhaftet, urteilte er, sie kämen verspätet und seien unpassend. In der Tat, wo die Tugend, wenn nicht Richtschnur des allgemeinen Handelns, doch wenigstens allgemein geachtet ist, dort ist Mäßigung in allen unseren Unternehmungen ein vorzüglich und löblich Ding; wenn indes jeder Begriff des Rechten verloren gegangen ist, wenn Niedertracht und Bosheit das gängige Urteilsvermögen verheerend trüben, dann ist Mäßigung als Tugend viel zu unscheinbar und schwach, um sich Achtung zu verschaffen; deshalb müssen wahrhaft aufrechte Seelen ihre Tugend anspornen und auf die Spitze treiben, um sich über die allgemeine Verderbtheit erheben und im Stillen über sie richten zu können. Das ist wie bei einem verwöhnten Gaumen, den zu reizen es scharfer Gewürze und gepfefferter Saucen bedarf; es ist wie bei einem ungebildeten und vulgären Publikum, das die plastische Schönheit einer heimischen Komödie verschmäht, den Ungeheuerlichkeiten eines fremdländischen Dramas aber begeistert applaudiert; um die Ziele ihrer Kunst zu verwirklichen, müssen Koch und Theaterdirektor ihre Saucen mit Gewürzen und ihre Aufführungen mit Feuerwerken und Dolchstoßszenen überfrachten.
    « Morosina», sagte der Cavaliere unsicher und mit gesenktem Kopf,«Ihr lebt nicht unter uns, daher klingen Eure Worte wie der Ratschlag eines Engels; bedenkt jedoch, dass ich mit dieser verderbten Welt verbunden bin, in vollem Bewusstsein ihren Gesetzen beigepflichtet habe, solange sie mir als Rechtfertigung für ehrlosen Müßiggang und niedere Vergnügungen dienten, weshalb ich mich nun schwerlich dagegen auflehnen kann, wenn diese nämlichen Gesetze mir Sühne auferlegen. »
    « Was für Sühne!», rief das Mädchen und zog ihn an einer Hand vor den Betstuhl.«Erfleht sie von diesem Kruzifix, Eure Sühne», fügte sie mit feierlicher Miene hinzu,«nicht von Eurem Stolz und der blinden irdischen Gerechtigkeit.»
    « Ja...? Und was gibt dieser Christus mir denn zur Antwort?», erwiderte Celio erschüttert, aber immer noch standhaft in seinem Vorsatz.«Er gibt mir zur Antwort, dass er von dieser blinden irdischen Gerechtigkeit die Sühne für uns alle erwartete. »
    « O Celio!», rief Morosina, verzweifelt über so viel Verbohrtheit.«Wer gibt Euch denn das Recht, Euch mit einem Gott gleichzusetzen?»
    « Ihr, Ihr gebt es mir», rief der junge Mann leidenschaftlich.« Ihr, die Ihr so gut, so stark, so weise seid; Ihr, die Ihr ein neues Wesen in mir erschaffen oder das einstige wieder zum Leben erweckt habt; Ihr, die Ihr meinen Gefühlen Reinheit wiedergeschenkt habt, Klarheit meinem Urteil, Festigkeit meinen Entschlüssen!»
    « O nein, Celio, nein; Ihr täuscht Euch!», murmelte Morosina.
    « Nein, ich täusche mich nicht mehr; seitdem ich erkannt habe, wie ich Euch lieben muss; seitdem ich das Verlangen nach dieser Liebe in mir entdeckt und ihre Macht gefühlt habe, erscheint mir alles Irdische verächtlich; nichts dünken mich Reichtum, Ehre, Vergnügungen, Leben im Vergleich zu der neuen Seele, die Ihr mir geschenkt habt und die ich der Euren würdig erhalten muss.»
    « O nein! Wehe mir, wehe mir, Celio!»
    « Wehe Euch?»
    « Ja, wehe mir, wenn der Vorwurf, Euer Unglück verschuldet zu haben, mir Leben und Tod vergiften soll!»
    Verwirrt sah Celio um sich; tausend Gefühle bestürmten sein Herz, und dieser innere Kampf zeichnete sich einen Moment lang grausam und furchtbar in seinen Zügen ab. Schließlich verschleierten sich seine Augen, glühende Röte schoss ihm ins Gesicht und färbte seine Wangen; wie in unsäglicher Qual presste er die Hände gegen die Schläfen, und doch öffneten sich die Lippen zu einem seligen Lächeln, als er rief:«O ja...! Ja, vor allem liebe ich dich! Vor allem Denken, vor allem Glauben, vor allem Leben liebe ich dich...! Ja, befiehl du mir, und ich werde gehorchen; verfüge über mich nach deinem Gutdünken, denn nichts, nichts bin ich ohne dich!»
    « So flieht, Celio ... bringt Euch in Sicherheit ...», stammelte Morosina.
    « Fliehen?», antwortete Celio.«Fliehen und fern von dir sein, mit dem Tod zugleich das Leben fliehen? Oh, da könnte ich ja gleich ...»
    « Nein... nun, so bleib», antwortete das Mädchen vollends verwirrt.«Bleib... aber versteck dich... aber ...»
    Das war nicht der Augenblick für kluge Ratschläge, beide

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