Ein Engel an Güte (German Edition)
waren so außer sich, dass sie zu keiner vernünftigen Überlegung imstande waren. Berauscht von der Liebe, deren Glut aus jeder Bewegung, jedem Wort, ja selbst aus der Verwirrung des Mädchens sprach, drückte Celio schließlich ihr tränenüberströmtes Gesicht an seine Brust, und ein Kuss, diesmal so rein, wie er es sich nie hätte träumen lassen, streifte ihre Flechten, die sich gelöst hatten und ihr über die Schultern fielen.
« O Gott, mein Gott!», schluchzte die Arme.« Sind wir durch Gottes Gebot nicht schon weit genug voneinander geschieden, willst du nun auch noch das Grab zwischen uns legen?»
« Nein, geschieden werden wir nie sein!», entgegnete Celio, und diesmal war er es, der das Mädchen an Reinheit des Gefühls übertraf.«Das werden wir nie sein, weil die Seelen unsterblich sind!»
Er wollte sie noch einmal an seine Brust ziehen, als plötzlich die Tür aufging und er sich damit begnügen musste, ihr die Hand zu drücken, die sie in seiner hatte ruhen lassen. Diesmal allerdings war sein Gewissen rein, und Chirichillos Eintreten verursachte ihm weder Verwirrung noch Ärger. Der Schreiber war eben erst heimgekehrt und wollte Morosina vom ungünstigen Ausgang seiner Mission unterrichten, ungünstig in Bezug auf ihre Wünsche, wohlgemerkt, nicht auf seine eigenen geheimen Absichten. Man denke sich sein Erstaunen, als er zwei überglückliche Liebende vorfand, die noch ganz unter dem Eindruck ihrer gegenseitigen Herzensergießungen standen.«Ah, Signor Celio!», rief er, wobei sich sein Gesicht umwölkte wie die Sonne im Januar.«Donnerwetter, das hatte ich nicht erwartet!»
« Ja», stammelte Morosina,«es ist der Cavalier Celio!»
« Ja, ich bin’s, lieber Doktor, Ihr könnt mich ruhig betasten!», antwortete dieser mit einem Lächeln über des anderen Fassungslosigkeit.«Ihr scheint mich ja für ein Gespenst zu halten!»
« Sie werden mir meine Überraschung nicht verdenken», antwortete Chirichillo ernst.«Als ich Sie verließ, schienen Sie nicht geneigt, sich hierherzubegeben. »
« Seine Absichten zu ändern ist menschlich», antwortete Celio.
« Nur zu menschlich!», brummte Chirichillo.« Doch da ich Sie schon einmal hier antreffe, Cavaliere», setzte er nach kurzer Überlegung ernsthafter denn je hinzu,«da ich Sie schon einmal hier antreffe, so hätte ich unter vier Augen ein Wörtchen mit Ihnen zu reden.»
« Sehr gern!», antwortete Celio.
« Bitte, wollen Sie also freundlicherweise hier eintreten», sagte der Gerichtsschreiber mit strenger Miene, wobei er die Tür zu einem Kabinett öffnete und die Portiere hob.
Sie blieben etwa zehn Minuten fort, woraufhin Chirichillo so ernst und feierlich ins Zimmer zurückkehrte, als hätte er einen schrecklichen, aber unvermeidbaren Akt der Gerechtigkeit vollzogen. Celio folgte ihm, nicht mehr strahlend vor Glück und Liebe, sondern blass, traurig, resigniert, und man hätte es kaum für möglich halten sollen, dass er sich in so kurzer Zeit dermaßen verändern könnte.
Gespannt befragte Morosina mit Blicken abwechselnd den einen und den anderen, doch beide hielten den Kopf gesenkt und schienen auch nicht geneigt, das drückende Schweigen zu brechen.
« Addio, Signora!», murmelte der Cavaliere schließlich mit schwacher, tonloser Stimme.
« Addio...? Was soll das heißen!», fragte ihn Morosina.
« Ich kann in diesem Haus nicht bleiben», antwortete der Cavaliere.«Gott will es anders, und ich habe ihm noch Dank zu sagen für die gute Eingebung, die mich hierhergeführt hat, um einen allerletzten Augenblick der Seligkeit zu genießen! »
In den Augen des Mädchens zeichnete sich immer größere Bestürzung ab, und sie streckte die Arme nach ihm aus, als flehe sie um Erbarmen.
« Addio, addio!», sagte Celio noch einmal, fast erstickt von dem Blut, das ihm zum Herzen strömte.« Addio, addio», wiederholte er und küsste mehrmals ihre Hand.
Dann, als fürchte er sich vor dem Reiz dieser von Liebe und Bangigkeit wunderbar erhöhten Schönheit, stürzte er, so wie er war, mit zerrauftem Haar und ohne Hut, aus dem Zimmer.
Die Augen des Mädchens waren weit aufgerissen, krampfhaft streckten sich ihre Arme nach der Tür; sie stellte sich auf die Zehenspitzen, als wolle sie ihm nacheilen; doch zu grausam war der Schmerz, als dass sie diesen fieberhaften Zustand länger hätte ertragen können; ein Schreckensschrei erstarb ihr in der Kehle, und sie sank in Chirichillos Arme.
Man denke sich die Verzweiflung des armen Alten, der in den
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