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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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Folter und die Todesstrafe abschaffte; ich wirkte auch weiterhin Gutes, und wenn ich nicht geradewegs zu Gott auffuhr, so wegen einer Spur Hochmut und Aufgeblasenheit. Da ich aber alles in allem als ehrbarer Mensch gelebt hatte, war mir zur Belohnung ein friedvoller Tod beschieden, und ich wurde nach Rom verpflanzt und als Kardinal wiedergeboren.»
    Von diesem letzten seiner bisherigen Auftritte auf der Weltbühne kannte er die geringfügigsten Details und schilderte Personen und Orte mit wunderbarer Bestimmtheit. Es mag hier genügen zu sagen, dass er, der sein Prälatendasein in maßvoller Bescheidung genoss, dann doch wegen eines kleinen, während des Konklave begangenen Fehltritts an einer anrüchigen Krankheit sterben musste, und da dies als Buße wohl nicht ausreichend war, um seine Seele zu läutern, wurde ihm auferlegt, in Gestalt eines Gerichtsschreibers einen letzten Rest Strafe zu verbüßen.
    « Und wenn Gottes Gnade mir weiterhin beschieden ist», so schloss er,«hoffe ich in diesem Amt so viel Gerechtigkeit walten zu lassen, dass ich, auch wenn ich nicht auf Anhieb das Türchen zum Paradies finde, es doch nur um weniges verfehle und stattdessen zum Kaiser beider Reiche gesalbt werde; und was ich dann mache, das weiß ich schon, und ihr alle, sofern ihr noch da seid, eure Kinder und Enkelkinder, ihr alle werdet glücklich und zufrieden leben.»
    War er so ans Ende seiner Rede gelangt, versank er mehr denn je in sich selbst, und alles deutete darauf hin, dass er über die Erneuerung der überholten Gesellschaftsordnung nachsann für die Zeit, wenn er, der das Paradies um Haaresbreite verfehlt hatte, von Gott seiner Verdienste wegen zum Weltenherrscher erhoben wurde. Wenn das so war und wenn er bei sich das Morsche dieser Ordnung erkannte, so wusste er das mit der größten Umsicht zu verbergen, und doppelt verdienstvoll war die Gewissenhaftigkeit, womit er all seine äußeren Handlungen den Gesetzen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten anpasste.
    Die Stellung eines Podestà der Republik Venedig in der Terraferma war in den Städten ein Ehrenamt, das die Inquisitoren sich dafür vorbehielten, besonders Reiche, die ihnen wegen zu großer Klientel ein Dorn im Auge waren, zugrunde zu richten; in den Dörfern dagegen war es ein dürrer Knochen, von der Signoria hier- oder dahin geworfen in der Absicht, sich das Gewinsel irgendwelcher hungerleidender Sprösslinge vom Hals zu schaffen. Wenn Valiner also vorher ein armer Teufel gewesen war, so besserte sich sein Los durch diese Provinzrichterämter nicht wesentlich; und da er ein Freund reichlichen Trinkens und guten Essens war, nahm es nicht wunder, wenn er im ersten Monat seiner Amtszeit außer den regulären Einkünften aus seiner Stellung noch weitere hundert Lire, die Formiani ihm zukommen ließ, verprasst hatte. Als der schlaue Beamte nach so betrüblicher Erfahrung gewahr wurde, dass Chirichillo echte Vaterliebe zu dem kleinen Mädchen entwickelte, sodass er es war, der sie ankleidete, fütterte und zu Bett brachte, machte er sich diese Neigung des Gerichtsschreibers zunutze. Hocherfreut, zwölf Lire im Monat an Lohn einsparen zu können, entließ er die Dienstmagd, entschlossen, im Haus nunmehr gänzlich ohne Weiberröcke auszukommen. Chirichillo war nicht der Mann, eine solche Veränderung zu bemerken, und wenn er seinem Vorgesetzten früher zwischen zwei und drei Uhr nachmittags immer bei der Abfassung von Erlässen und Urteilen geholfen hatte, half er ihm nun auch dabei, das Fleisch zu schneiden und in den Kochtopf zu geben, die Brühe abzuseihen und den Reis zu kochen. Da Valiner sich aber nicht vor zwei Uhr mittags an diese Dinge machte, weil er zu jener Stunde erst aufstand, wurde es spät mit dem Mittagessen, und der Tagesablauf geriet so sehr in Unordnung, dass der gute Gerichtsschreiber, der sich nach und nach schon sämtliche Amtspflichten aufgebürdet hatte, nun stillschweigend auch noch die Küchenarbeit übernahm. Nach einem Vierteljahr kam er mit dieser Häufung von Aufgaben so gut zurecht, dass um Punkt drei Uhr das Haus aufgeräumt war, die Kleider gebürstet, sämtliche Amtssachen erledigt und das Mittagessen auf dem Herd stand; da klopfte er dann leise an die Tür des Podesta und meldete ihm, dass der Reis koche. In diesem Mosaik von Obliegenheiten fand er immer noch etwas Zeit, um die Kleine anzuziehen, ihr das Gesicht zu waschen, ihr das Haar zu kämmen und sie hübsch herzurichten, ihr den Brei zu kochen, sie ins Bett zu bringen,

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