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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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so leicht erschienen war. Um diese Zeit verlor er den Vater, weshalb er sein Studium abbrach und sich in Venedig niederließ. Macht des schlechten Beispiels, Übermut und Leichtsinn der Jugend, großer Reichtum – man kann sich denken, wie sein Lebenswandel aussah! Nicht dass in seinem Inneren jede Gewissensregung abgestorben gewesen wäre, er sich an plumpen Vergnügungen ergötzt hätte oder das Denken wie seinen schlimmsten Feind hätte scheuen müssen – dies war bei ihm nicht der Fall, wie bei allen anderen leider sehr wohl. Doch führte er dem Anschein nach dasselbe Leben wie sie: Die Nächte verbrachte er in Spielsälen und Bordellen, tagsüber sah man ihn auf der Piazza und in den Cafes, abends scharwenzelte er in den Clubs um die Frauen herum; im Übrigen stets bereit, im Ernst zu widerrufen, was er im Scherz oder weil es gerade Mode war, gesagt hatte, wenn ihm jemand seine dummen oder niederträchtigen Äußerungen vorhielt, und eines Wortes wegen konnte er sich auch schlagen. Eine bei den venezianischen Stutzern unbekannte Torheit, die Celio aber mehrmals gegenüber tüchtigen Fechtern aus dem Ausland oder von der Terraferma beging. Seine Ehre war aus derlei Begegnungen stets unbefleckt hervorgegangen, und zur größten Verwunderung aller hatte das Inquisitionstribunal ihn wegen dieser schweren Vergehen auch niemals zur Rechenschaft gezogen. 34 Aus diesem Benehmen wird man unschwer ableiten können, wie seine Unterhaltungen mit Morosina aussahen: voller Galanterien, Frivolitäten, ja Zudringlichkeiten. Gewappnet durch ihre Unschuld, dabei aber doch an die freizügigen Reden im Sprechsaal gewöhnt, zeigte sie sich weder beschämt, noch stimmte sie in Celios losen Ton ein, den sie für eine allgemeine Modeerscheinung hielt. Der junge Mann hingegen fasste diese Nachsicht als keckes Entgegenkommen auf und brüstete sich vor seinen Kumpanen damit, wie man es damals mit Liebeseroberungen zu tun pflegte, und beschloss, die unter einem glücklichen Zeichen stehende Bestürmung zu verstärken. Doch da war es mit seinen Triumphen vorbei; was immer er auch tun und sagen mochte, es gelang ihm nur, Morosina von seiner Liebe zu überzeugen; das arme, unerfahrene Ding hielt die süßen Worte und die freizügigen Geständnisse eines Lebemannes für Liebeserklärungen. Doch da dieser Kleinkrieg nun schon Jahre währte und Celio sich immer mehr hineinverbiss, wäre er Gefahr gelaufen, sich lächerlich zu machen, wenn er den anderen erklärt hätte, wie die Dinge wirklich lagen, deshalb benahm er sich so, dass man glauben konnte, ihm sei, was er begehrte, schon gewährt worden. Und das gelang ihm so vortrefflich, dass von da an die öffentliche Meinung in Venedig lautete, Morosina Valiner sei die künftige Mätresse des Cavalier Terni. In diesen Ruf hatten nicht zuletzt ihre Mitschülerinnen sie gebracht, die ihre Keuschheit weniger neidisch machte als vielmehr kränkte; und die Nonnen wussten ihnen dafür noch Dank, denn es kam ihnen gar nicht ungelegen, dass sich diesem wandelnden Spottbild ihrer eigenen Verweltlichung und Unbildung ein Makel anhängen ließ.
    So weit waren die Dinge bis zur lebensbedrohlichen Erkrankung des Inquisitors gediehen, als die Feindseligkeiten gegen Morosina offen zum Ausbruch kamen. Und obwohl die gegen sie erhobenen Verdächtigungen nicht ausgesprochen wurden, weil selbst ein Grabstein nicht ausreichend schien, die Rache eines solchen Mannes aufzuhalten, ließen weder die Nonnen noch die Zöglinge irgendeine Gelegenheit aus, das herabzusetzen, was sie hochmütige und wohlfeile Heuchelei nannten.
    All das bemerkte Celio an jenem Abend, mit dem unsere Erzählung einsetzte. Im vielsagenden Lächeln der Damen und im Spott der Stutzer traten Celio die bösen Folgen der Verleumdungen deutlich vor Augen, die er durch vage Andeutungen und fahrlässiges Schweigen befördert hatte. Er empfand Scham vor derjenigen, die er feige seiner Eitelkeit zum Opfer gebracht hatte, und das rief sein schlummerndes Gewissen wach; zum ersten Mal erschien es ihm als Schande, den Ruf des Mädchens ohne jeden Nutzen zu schädigen, weshalb er sich vornahm, auf der Stelle mit ihr zu brechen, und als er zu ihr hinüberging, um sie wegen der Grobheiten der Superiorin zu trösten, hatte er sich binnen weniger Minuten so sehr verändert, dass Morosina sich nur wundern und erschrecken konnte. So unschlüssig war sie auch noch während der Anwesenheit des Inquisitors, als sie aber im allgemeinen Durcheinander des Aufbruchs

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