Ein Engel an Güte (German Edition)
ins Buch, dann wieder einen aufs Meer und auch einen auf das Bildnis des heiligen Antonius, das in einem schlichten Rahmen am Kopfende des Bettes hing und das sie nicht mitnehmen durfte, da es ihr eine der Schwestern auf ihre Bitte hin geliehen hatte. Gegen elf Uhr hörte sie ein Klopfen an der Tür.
Sie lehnte gerade am Fenster, die Ellbogen auf die Brüstung gestützt. Die stille Betrachtung von Himmel und Meer hatte den inneren Sturm der Gefühle beschwichtigt und ihr Sinnen auf Gott ausgerichtet; sie wandte sich um und hatte kaum nötig, die Hand aufs Herz zu legen, eine so heitere Ruhe hatte diese Andacht ihr eingeflößt.
« Signora Valiner»sagte, indem sie ins Zimmer trat, Schwester Agata, dieselbe, die Formiani solche Herzlichkeit bezeugt hatte,«unten sind Leute, die Sie abholen wollen, und die Superiorin schickt mich nachzusehen, ob Sie bereit sind.»
« Ja, ich bin bereit, wie du siehst, liebe Schwester», antwortete Morosina.
« Und Ihre Sachen?», wandte die Nonne schüchtern ein.
« Das ist alles, was ich habe, und es hinunterzutragen bedarf es keiner starken Arme!», sagte das Mädchen mit einem halb melancholischen, halb liebevollen Blick auf ihre Kiste.
« Mehr ist das nicht?», fragte die Laienschwester noch einmal.
« Mehr nicht!», erwiderte das Mädchen mit engelhaftem Lächeln.
« Nun gut, so gehen Sie hinunter zur Mutter Oberin und nehmen Sie Abschied von ihr», sagte die Schwester,«unterdessen will ich diese Kiste in die Gondel schaffen.»
Zum Zeichen des Gehorsams schlug Morosina die Augen nieder und stieg, die Seele dieses Mal wirklich von reiner Freude erfüllt, zur Äbtissin hinab. Die stand vor einem Nussbaumtisch, auf dem drei wundervolle Atlasroben ausgebreitet lagen, während zwei Schwestern auf einer kleinen Anrichte Schokolade anrührten.
« Meine liebe Tochter», hob die Äbtissin in einem irgendwie wimmernden Tonfall an, den ihre Lungen für sentimentale Auftritte bereithielten,« meine liebe Tochter, der Augenblick ist gekommen, da du uns verlässt. Ach, könntest du doch nur in mein Herz schauen, mein liebes Kind! Aber es gibt Schmerzen, von denen man besser nicht spricht... Gott schickt sie uns... und... wir müssen sie in Demut ertragen!»
Sicherlich ertrug niemand derlei Schmerzen mit größerer Demut als sie; so seufzte sie tief auf bei ihren Worten, allerdings nicht, ohne beiläufig nach der Anrichte zu schielen.
« Meine liebe Tochter», sagte sie erneut aufseufzend, diesmal aber begründet, weil die kleine Erfrischung noch nicht bereit war.«Ich denke, es schickt sich nicht für Euch, das Kloster in diesen schäbigen Kleidern zu verlassen, wie Ihr sie aus frommer Demut stets tragen wolltet. Hier sind drei Kleider, unter denen Ihr dasjenige auswählen mögt, das Euch am besten gefällt.»
« Oh, habt Dank, ehrwürdige Mutter», stammelte Morosina, zu Tränen gerührt,«aber ich fühle mich sehr wohl so, wie ich bin.»
« Nein, nein», entgegnete die Äbtissin, die den beiden an der Schokolade unterdessen einen erzürnten Blick zugeworfen hatte.«Nein, liebste Tochter, man würde ja sagen, dass wir Euch nicht nach Gebühr behandelt haben ... wenngleich Euer Gewissen... Euch bezeugen kann, wie teuer Ihr mir wart vor allen anderen.»
« O ja, Mutter, ich danke Ihnen dafür und werde mich immer und ewig daran erinnern ...»
« Danke, danke, meine Tochter; doch nun zieht dieses abgetragene Kleidchen aus und dieses an... dieses hier, mein Kind, es scheint mir das beste; möge es Euch an die guten Schwestern erinnern, die Euch sechs Jahre lang in Gottesfurcht und wahrhaft christlichem Gefühl erzogen haben; alle, seht Ihr, alle sind wir nämlich darin übereingekommen, Euch damit ein Zeichen zu geben für die stete Zuneigung, die Euch an diesem Ort des Friedens bewahrt wird.»
« Oh, ehrwürdige Mutter, Sie beschämen mich, ich verschwinde ja förmlich in diesen vornehmen Kleidern ... auch passen sie nicht zu meinem Stand», antwortete Morosina, die dieses ganze Getue ernst nahm.
« Nein, nein, mein Herz», erwiderte die Äbtissin, und da sie bemerkte, dass ihr Gewimmer so gute Wirkung zeigte, verstärkte sie die Dosis noch,« sträubt Euch nicht, und wenn Ihr es nicht anders wollt, nun, so befehle ich es Euch. Und es soll dies das letzte Mal sein, dass Ihr Euch aus frommem Gehorsam meinen Wünschen fügt.»
« Oh, ehrwürdige Mutter, welche Güte!», rief Morosina schluchzend.
« Die Schokolade ist fertig», unterbrach sie schüchtern eine der beiden
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