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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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Rossini 33 inspiriert hatten. All dies nahm Morosina mit feinem Gespür auf und wandte es auf die musikalische Praxis an, sodass sie mit dem Wenigen, was er zu bieten hatte, eine gute Cembalospielerin wurde, eine bessere jedenfalls als alle anderen, was Mäßigung in der Spielweise sowie Wahrhaftigkeit und Erhabenheit des Gefühls anging. Doch da diese beiden Eigenschaften damals eher gemieden als gesucht wurden, musste sie, wenn sie öffentlich spielte und den anderen Vergnügen bereiten wollte, ihre Kunstfertigkeit verbergen und die modischen Sperenzchen mitmachen; ihre Phantasien im Stil des Schönen und Schlichten und das Studium der großen Meister der Musik hob sie sich daher auf für die einsamen, der Poesie gewidmeten Stunden.
    Der Podestà hatte Wort gehalten und seine Tochter am letzten Sonntag im April besucht, und so geschah es nun jedes Jahr, zum größten Kummer Morosinas, der dieser einmalige Besuch recht wenig erschien. Von der Stiefmutter erhielt sie gelegentlich Briefe, die sie mit kindlicher Pflichtschuldigkeit beantwortete, doch in Venedig hatte die Dame sich nie blicken lassen, obwohl sie ihr diese Freude oft in Aussicht stellte. In den sechs Jahren, die die Gefangenschaft des Mädchens währte, war Chirichillo ein einziges Mal ins Kloster gekommen; und das geschah, als Valiner von dem Posten in Pirano nach Lonigo wechselte. Unter dem Vorwand einer unüberwindlichen Abneigung gegen das Meer hatte die Edeldame der sehr langen Reise auf dem Landweg den Vorzug gegeben, der Gerichtsschreiber aber bat und flehte so sehr, bis man ihm die Fahrt über den Golf gestattete und sein Wunsch, Morosina wiederzusehen, dergestalt in Erfüllung ging. Er fand, sie sei so groß geworden, so schön und gut, dass er Gott mit Tränen in den Augen dafür dankte. Nachdem er Seiner Exzellenz Formiani seine untertänigste Aufwartung gemacht und Briefe seiner Herrin abgeliefert hatte, begab er sich unverzüglich nach Lonigo, wie ihm befohlen war. Der langwierigen Reise wegen trafen der Podesta und seine Frau dortjedoch erst einen Monat später ein, als die zu ihren Ehren errichteten Triumphbögen und papierenen Obelisken längst zerzaust, eingeknickt und verbleicht waren.
    Wie merkwürdig! Trotz der großen Umsicht und Fürsorge, die er bei Morosinas Eintritt ins Kloster bewiesen hatte, unternahm Formiani später nie mehr einen Versuch, sie zu sehen, ja, er stellte seine schon früher eher seltenen Besuche bei den Seraphinerinnen gänzlich ein. Auch die Freigebigkeit, womit er ihr eine Aussteuer und alles Nötige hatte zukommen lassen, fand damit ein Ende; die Garderobe der Kleinen wurde von dem wenigen, was der Podestà ihr alljährlich schickte, kärglich aufgestockt, sodass die Superiorin nicht gelogen hatte, als sie zuletzt sagte: Wenn es im Kloster Lumpen gebe, so seien es gewiss ihre. Diese Vorsicht des Inquisitors, mit der er sich fast völlig von ihr fernhielt, bot den Schwestern Anlass zu neuen Verdächtigungen, so hieß es nun, es sei eine ganz durchtriebene Angewohnheit Seiner Exzellenz, Gefühle zu bekunden, die der wahren Empfindung diametral entgegengesetzt seien. Morosina ihrerseits war von Kindheit auf daran gewöhnt, von Formiani als dem Schutzengel ihrer Familie reden zu hören und ihn nie zu sehen, daher konnte sie in seinem Benehmen keine Veränderung erkennen. Sie war ihm nach wie vor dankbar für seine vielen Wohltaten, ohne Neugier oder Staunen über diese Zurückhaltung ihr gegenüber zu empfinden.
    Im Übrigen aber war sie im Geiste viel zu sehr mit einem anderen Mann beschäftigt, als dass sie sich mit solchen Nebensächlichkeiten hätte aufhalten können.
    Etwa zwei Jahre waren vergangen seit ihrem Eintritt ins Seraphinenkloster, als Celio zum ersten Mal im Sprechsaal erschien. Kaum erblickte sie den geliebten Freund aus Kindertagen, da lebten die Eindrücke dieses unschuldigen Alters in ihrem Geist wieder auf, und ihr erster Impuls war, hinzueilen und ihn zu küssen, doch dieser Wunsch kehrte sogleich um, und sie begnügte sich damit, ihn herzlich willkommen zu heißen und bei der Hand zu nehmen, wie es unter guten alten Freunden üblich ist. Der Cavaliere nahm das als gutes Omen für seine Absichten, da er solche Vertraulichkeit kurzerhand mit dem Benehmen eines Mädchens verwechselte, dessen Herz bereits von unkeuschen Begehrlichkeiten gestreift wurde; diese Meinung änderte er auch nicht, obwohl er niemals auch nur einen Schritt auf dem Weg vorwärtskam, dessen Ende zu erreichen ihm anfangs

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