Ein Engel an Güte (German Edition)
gebracht zu haben, und stieg in sein Zimmer hinauf.
Und dort schlief auch er alsbald ein, in Gedanken darüber, wie er wohl die Titulaturen des Vaters Seiner Exzellenz, die sich auf insgesamt achtundzwanzig Silben beliefen, im Schluss einer Oktave unterbringen könne. Ob er für dieses schwerwiegende prosodische Problem eine Lösung gefunden hat, darüber schweigt die Geschichte.
Ob nun das Opium oder Don Gasparos Poem die Ursache war, jedenfalls schlief der Inquisitor fest bis um halb zehn Uhr und wachte erst auf, als der Diener ihm die Schokolade brachte.«Guten Morgen, Martino!», rief er, indem er sich mit einiger Mühe aufsetzte.
« Haben Euer Exzellenz gut geschlafen?»
« Wie im Himmel!», antwortete er, die Schokolade schlürfend.
« Signorina Morosina hat sich erkundigt, wann Euer Exzellenz aufgestanden sein würden», sagte Martino.
« Hast du eine Ahnung, was sie will, die Kleine?»
« Ich weiß es wirklich nicht, aber anscheinend möchte sie über etwas mit Ihnen reden, was ihr sehr am Herzen liegt.»
« Wenn das so ist, dann lass sie gleich eintreten», antwortete Formiani, Nachtmütze und Bettdecken zurechtrückend.
Bald darauf kam Morosina herein; wegen der auf dem Balkon zugebrachten Nacht war sie etwas blass, aber strahlend vor Glück.«Guten Tag, Herr Pate», sagte sie.
« Guten Tag, mein Patentöchterchen!», antwortete er, indem er sie an der Hand zu sich heranzog und auf beide Wangen küsste.«Was hast du mir zu sagen, das dir so am Herzen liegt, kleine Schelmin? Nun, nur Mut, du weißt ja schon, dass ich dir nichts abschlagen kann.»
« Es ist», antwortete Morosina errötend,«dass ich Sie um eine Gunst bitten möchte.»
« Welches Glück für mich!», rief der Alte.«Du kannst davon ausgehen, dass du sie schon in der Tasche hast.»
« Oh, da wird die arme Adriana sich aber freuen», rief das Mädchen und klatschte in die Hände.
« Ach, die Gunst ist für Adriana?»
« Gewiss, Herr Pate. Es geht um ihren Liebsten, der schon vor Monaten wegen einer Lappalie ins Gefängnis gesperrt wurde; gestern sollte er freikommen, aber dann erging gegenteilige Order, und jetzt bittet sie Sie, sich für ihn zu verwenden, damit er endlich freigelassen wird.»
« Und wie hat Adriana von dieser Geschichte erfahren?»
« Nun, von Moretta, glaube ich, und die hat es von einem ihrer Verehrer, der in diesem Gefängnis Aufseher ist.»
« Nichts leichter, mein Töchterchen, als sie zufriedenzustellen!», sagte der Inquisitor.«Du kannst Adriana ausrichten, dass ihrem Liebsten kein Haar gekrümmt wird und dass er baldmöglichst freigelassen wird.»
« Oh, wie mich das freut!», versetzte Morosina.
« Die Ärmste, sie tut mir wirklich leid, wie sie in Sorge war um den Liebsten im Gefängnis! Ich will gleich zu ihr und sie trösten, und tausend Dank, Herr Pate, danke!», sagte sie und küsste ihm zärtlich die Hand.
« Donnerwetter, sie ist wirklich ein gutes Kind!», dachte der Inquisitor, als sie hinausgegangen war, und läutete, um Bernardo zu rufen.«Und die schlaue Moretta, na, brav sind die alle beide! Morgen werde ich dann wohl um eine Gunst für den Gefängniswärter gebeten...! Aber Teufel auch, will man große Fische fangen, muss man die kleinen als Köder zurückbehalten! Hinterher lassen wir sie laufen... Auf einem alten Schiff ist bekanntlich sogar das kleinste Mäuschen ein mächtiger Feind.»
Über derlei Betrachtungen leerte er seine Tasse Schokolade. Dann unterhielt er sich ein Viertelstündchen mit Bernardo und empfahl ihm vor allen Dingen, noch am selben Morgen Momolino abzupassen, denn wenn er es recht bedachte, war die überstürzte Flucht des Grafen doch irgendwie rätselhaft, und er wollte sich im Hinblick auf diesen seinen Liebling Gewissheit verschaffen. Dann ließ er sich bestimmte Papiere geben, schickte den Cappanera weg und begann, diese durchzusehen.
« Ich hoffe, sie begreifen es in ein oder zwei Wochen», dachte er und verweilte bei einem Blatt, das über und über mit Notizen zur Frage der Neutralität zwischen Spanien und Österreich bedeckt war, die damals den Senat beschäftigte.« Ich hoffe, sie begreifen es, sonst werde ich dafür sorgen, dass diese faule Ausrede, wir würden ja von keiner der streitenden Parteien gedrängt, vom Tisch ist... Herrgott noch mal, was soll denn für uns der Unterschied sein zwischen bewaffneter und unbewaffneter Neutralität...? Leider überhaupt keiner, und da es ja nur um ein Wort geht, das nichts kostet, zückt man besser das
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