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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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lange dort fest, bis er sie ihr mit einer nicht ganz so sanften Bewegung entzog, um sich zu trinken einzuschenken.«Sapperlot, hier in Venedig, inmitten von all dem Salzwasser, bekommt man besser zu trinken als bei uns dort oben!», sagte er und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab, obwohl er sich eine Serviette aus feinstem flandrischen Tuch bereits in den Kragen gesteckt hatte.
    « Seine Exzellenz hat schöne Güter bei Conegliano», antwortete Celio,«und die Rebhügel dort sind das Paradies der Weintrinker!»
    « Gibt es in Conegliano eine Podestà-Stelle?», fragte Valiner.
    « Ja, gewiss!», antwortete Celio.
    « Ach, wenn meine Frau nur wollte!», seufzte der andere.
    Chirichillo aß und sprach nicht, ja, er holte kaum Luft, so sehr war er darein versunken, seine Morosina anzuschauen; und sie erwiderte seine Blicke liebevoll und ermunterte ihn von Zeit zu Zeit, auch seinem Magen eine Kleinigkeit zukommen zu lassen. Da nahm der gute Schreiber freudestrahlend ein Taubenflügelchen oder ein Scheibchen Kalbfleisch, und diese Mahlzeit, gewürzt mit den süßen Worten, dem Lachen und den Blicken des Mädchens, mundete ihm ganz vorzüglich.
    « Und wie ergeht es denn der Frau Mutter?», fragte Morosina.«Von ihr erzählt mir niemand etwas!»
    « Es geht ihr gut, ausgezeichnet», antwortete der Podestà,«und sie lässt dich sehr herzlich grüßen, ja, sie lässt dir sagen ... was hat sie uns bei der Abreise noch aufgetragen, Chirichillo?»
    « Wahrhaftig – ich erinnere mich nicht mehr daran!»
    « Ich mich auch nicht! Kurzum, sie lässt dich grüßen und erwartet dich dort oben... wann es Gott gefällt!»
    « Was hast du, Alter?», fragte Morosina,«warum bist du auf einmal so betrübt?»
    « Nichts», antwortete da der Gerichtsschreiber.« Aber wenn ich Sie ansehe, weiß ich nicht mehr, wer ich bin und was ich tue.»
    « Was soll denn auf einmal dieses ‹Sie›?», entgegnete das Mädchen.«Ich meine doch, ich hätte mir das damals schon verbeten, als du mich im Kloster besucht hast. Aber das steckt dir offenbar in den Knochen... Früher einmal war das aber nicht so, will mir scheinen, mein Alter, damals sagtest du ganz einfach ‹du› zu mir. Hast du mich vielleicht weniger lieb als damals...? Aber nein, ich weiß doch, dass du mich heute noch viel lieber hast...! Haben wir uns also verstanden, hm? Ich will kein ‹Sie› mehr hören!»
    « Wie Ihr wünscht!», antwortete Chirichillo.
    « Was ist denn dieses ‹Ihr›?», fiel ihm das junge Mädchen ins Wort.«Du bist ja richtig stur, weißt du das...? Hast du das denn nicht gleich begriffen...? Du sollst ‹du› sagen, ‹du›, wie damals, als ich klein war und du mir das Abc beibrachtest und mir versprachst, mir das Uhrwerk zu zeigen, wenn ich ohne Fehler bis zum M kam, erinnerst du dich noch, mein Alter?»
    « Und ob ich mich erinnere!», rief er, verstohlen eine Träne zerdrückend.«Damals wart Ihr...»
    « Aber hör doch auf mit dem ‹Ihr›!», rief Morosina.
    « Damals warst du fünf Jahre alt, und wir waren in Caneva.»
    « Wo auch der Cavalier Celio war», setzte Morosina hinzu.«So ist’s recht...! Erinnerst du dich noch an ihn?»
    « Mein rechtes Ohr erinnert sich noch ganz genau», bemerkte der Cavaliere,«es ist einen halben Zoll länger als das andere.»
    « Schöne Zeiten, das!», knurrte Chirichillo, beantwortete Morosinas Frage jedoch nicht direkt, und in dem Blick, den er Celio zuwarf, als sie ihn erwähnte, lag mehr Misstrauen als Wohlwollen.
    So ging das Mittagessen herum; um fünf saßen sie auf der kleinen Terrasse und tranken den Kaffee, wobei sie ihre trauliche Unterhaltung fortsetzten, die, schlicht und innig, diesen wundersamen Schleier aus Blicken, Lächeln und halb gesagten Worten webt, der sich so gar nicht ins schwarze Gewand des Gedruckten fügen will. Gegen sechs tauchte die Gondel Seiner Exzellenz auf, und mit zwei Sätzen waren alle im Vestibül, wo Formiani Valiner umarmte und, nachdem er Chirichillo freundlich die Hand gedrückt hatte, Morosina fragte, ob alles zu ihrer Zufriedenheit verlaufen sei und ob sie finde, dass er Versprechungen zu halten wisse.«Guten Tag, guten Tag, mein Alter», fuhr er fort, sich wieder dem Schreiber zuwendend.«Verflixt, habe ich ‹Alter› gesagt? Ich bin wirklich beschämt, dich so rüstig und munter zu sehen, und ich, der ich dir nur wenig an Jahren voraus bin, schau mich an, wie steif und lahm ich bin!»Allerdings war dies ein guter Tag für den Inquisitor, denn er stieg die

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