Ein Engel an Güte (German Edition)
dem Weg zu seinen Gemächern stieß sie auf Formiani, der in Toga und Amtsperücke herauskam. « Herr Pate!», murmelt Morosina, mit einer Verbeugung zur Seite tretend.
« Guten Tag, mein Töchterchen!», antwortete der Alte; und da sie ihm zum Hinuntergehen den Arm reichen wollte, setzte er hinzu:«Nein, nein, Gott sei Dank brauche ich das nicht, trotz des etwas gewagten Ausflugs gestern Abend ist mein Befinden heute Morgen doch recht zufriedenstellend.»
« Dann müssen Sie besonders weitherzig und in der Stimmung sein, Gutes zu tun», bemerkte Morosina.
« Warum nicht...? Aber soll das eine Ermahnung oder eine Vorrede sein?»
« Es ist eine Vorrede, Herr Pate, denn ich möchte Euch noch um einen weiteren Gefallen bitten.»
« Da haben wir’s», dachte der Inquisitor.«Ich möchte wetten, dass es sich um diesen Gefängniswärter handelt.»
« Stellen Sie sich vor», fuhr Morosina fort,«einer kleinen Nachlässigkeit wegen ist Morettas Verehrer, der, wie mir scheint, Aufseher in den Gefängnissen der Inquisition ist, eingekerkert worden.»
« Sprichst du im Ernst, mein Töchterchen?»
« Ja, im Ernst; und die Ärmste ist ganz verzweifelt, weil diese Nachlässigkeit um ihretwillen begangen wurde.»
« Oh, ich denke, die Strafe wird kurz bemessen sein!», erwiderte der Alte.«Sei ruhig, sei ganz beruhigt, mein Kind, und sag Moretta, ich werde mich selbst erkundigen und mich für ihn einsetzen, und die kurze Weile, die ihr Liebster im Käfig sitzt, soll er mit den feinsten Leckerbissen genährt werden.»
« Und könnte man ihn nicht einfach herausholen aus diesem schrecklichen Verlies?», fing Morosina schmeichelnd wieder an.
« Hör zu», entgegnete Formiani ernst und machte auf der untersten Treppenstufe halt, wie er es bisher schon einige Male getan hatte.«Auch ich habe dich um einen Gefallen zu bitten!»
« Oh, sprechen Sie, Herr Pate, sprechen Sie!», rief Morosina erfreut.
« Nein, dein Vater wird es dir sagen, ich habe gestern Abend ein wenig mit ihm darüber geredet. Geh zu ihm hinauf und macht das unter euch ab, und bei Tisch sagen wir uns dann gegenseitig Dank.»
« Oh, ich will gleich gehen und die arme Moretta trösten», rief das Mädchen.«Und wird ihr Verehrer denn vor dem Abend frei sein?»
« Liegt dir denn gar nichts daran zu wissen, um welche Gunst ich dich im Tausch dafür bitte?», fragte Formiani.
« Was spielt das für eine Rolle?», antwortete Morosina.«Was auch immer es sei, ich habe es schon von Herzen gewährt.»
« Addio, mein Töchterchen!», sagte Formiani und küsste sie auf die Stirn.
« Guten Tag und vielen Dank, Herr Pate!», entgegnete Morosina.
Mit einem Ruderschlag hatte sich die Gondel zwanzig Schritt weit entfernt; und sie, gemäß ihrer Gewohnheit, sich immer erst um die anderen zu kümmern und erst dann um sich selbst, ging hinein und dachte an die Freude, die Moretta bei dieser frohen Botschaft empfinden würde. Im Übrigen aber war ihr, als Formiani diese Gunst erwähnte, eine Ahnung durch den Kopf geschossen, ob er sie vielleicht zu seiner Gesellschaft in Venedig behalten wolle; und so schwer es ihr, seit dem Besuch ihres Vaters und Chirichillos, auch fiel, in Anbetracht der Güte, die Formiani ihr erwies, und des Umgangs mit Celio fühlte sie sich geneigt, sie zu gewähren.
Als der Inquisitor fort war, fiel ihr von der Unterredung mit ihm zuerst die noch für denselbigen Tag versprochene Freilassung des Gefängniswärters wieder ein, und die Vorstellung der Freude, die sich auf dem gequälten Gesicht des Mädchens breitmachen würde, beflügelte ihre Schritte beim Hinaufsteigen der Treppe.
« Heute noch kommt er frei, heute kommt er frei!», rief sie beim Betreten des Arbeitszimmers, wo die beiden Mädchen auf ihrem Lager ausgestreckt lagen.
« Hat er Ihnen wirklich versprochen, dass er freikommt?», rief Moretta und sprang auf.
« Und auch Giorgetto kommt heute frei?», fragte Adriana.
« Ach, nach dem habe ich heute Morgen nicht gefragt!», antwortete das junge Mädchen ganz bekümmert über ihre Vergesslichkeit.
Schmollend drehte Adriana sich zur Wand.
« Komm, komm», fuhr das gute Kind fort und fiel ihr um den Hals.«Eben erinnere ich mich, dass ich Seiner Exzellenz ebenfalls eine Gunst erweisen soll, und ich werde dies an die Bedingung knüpfen, dass auch dem Deinen die Flügel gelöst werden!»
« O ja, o ja!», rief Adriana, sprang ebenfalls auf und klatschte in die Hände.
« Einen guten Tag nun, meine Mädchen!», sagte
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