Ein Engel an Güte (German Edition)
mitunter vermögen die Frauen viel, mit Tränen und mit List... Ja, ich will auch schlau sein... wenn Ihr es wollt.»
Sie verstummte, weil ihr schien, sie habe schon zu viel gesagt; Celio war höchst erfreut über die Wegstrecke, die sie ihm durch diese Wiederbelebung der früheren Zärtlichkeit abnahm; als er jedoch sah, dass sie zu weiterem Entgegenkommen nicht bereit sein würde, erkannte er, dass es an der Zeit war, das sicher Erworbene zu nutzen.
« Oh, alles hättet Ihr vermocht!», antwortete er unter Schluchzen.«Alles hättet Ihr vermocht, alles...! Warum habt Ihr mir an jenem Abend nicht offen gesagt: ‹Celio, ich verabscheue dieses Joch, das man mir auferlegen will! Ich liebe Euch, Euch will ich...! Kommt, gehen wir, fliehen wir gemeinsam!›?»
« Aber ich dachte doch, Ihr wärt mit dieser Hochzeit einverstanden», stammelte Morosina.« Ich wusste nicht...»
« Schwör bei der Seele deiner Mutter, dass du nichts davon wusstest, bevor ich es erwähnte!», rief Celio, stürmisch aufspringend, und streckte ihr seine Rechte entgegen.
« Ich schwöre es bei der Seele meiner Mutter und meiner eigenen!», antwortete das Mädchen und ergriff diese Hand.
« Dann also... wenn dem so ist... fliehen wir... fliehen wir, gehen wir weit, weit fort, wohin kein Laut aus dieser verruchten Welt dringt... fliehen wir... komm... Aber nein!», fuhr er mit veränderter Stimme fort, indem er seine Hand aus der des Mädchens zog und sie sich aufs Herz legte.« Ich bin nun verurteilt, hierzubleiben... und zu sterben!»
« Aber Celio, du phantasierst... du träumst!»
« Ich träume, ich phantasiere?», erwiderte er, wobei er einen weniger verzweifelten als vielmehr traurigen Ton anschlug.«Das weiß Gott, ob ich phantasiere; es weiß dieses Herz, das schier brechen wollte einen ganzen Monat lang, und ich glaubte, die Rache verliehe ihm Glut und Leben, dabei war es die Liebe!»
« O Celio!», rief Morosina schwer atmend und versuchte sich aus seinen Armen zu befreien, mit denen er ihren Nacken umschlungen hielt.
« Ja, die Liebe», fing er mit größerem Nachdruck noch einmal an,«die Liebe, die mich ein letztes Mal zu dir führt...! Ein letztes Mal!», wiederholte er mit gedämpfter, leidenschaftlich erregter Stimme, wobei er seine glühenden Lippen dem Gesicht des Mädchens näherte, wie um ein furchtbares Geheimnis auf kleinsten Raum zu bannen.« Ein letztes Mal, verstehst du, und dann der Tod! Der Tod, einsam, verlassen, verraten von dir und von allen; ein Tod ohne Glauben an irgendetwas, ohne deine Liebe!»
« O Celio, Celio!», rief Morosina mit der ganzen Gewalt der Leidenschaft, die unversehens aus ihr hervorbrach.«Celio», wiederholte sie im Ton sanften Vorwurfs, als ließen sämtliche Gedanken sich nur noch in diesen einen geliebten Namen kleiden.
Der Cavaliere hielt ein Weilchen inne und sah sie von der Seite an, gleichsam schwankend zwischen Furcht und Hoffnung; die Gewohnheit der Verstellung führte ihn ein weiteres Mal vom Weg ab.«Nein, es ist nicht wahr», hob er mit dumpfer und schneidender Stimme wieder an, um den letzten Streich gegen das Herz der Ärmsten zu führen.« Nein, es ist nicht wahr, was du mir bei deiner und der Seele deiner Mutter geschworen hast! Es ist nicht wahr, was du mir jetzt mit Augen, Stimme und Gebärden sagst...! Sie ist nicht wahr, diese deine Unschuld, die du als Maske trägst, um mich in meinen letzten Tagen grausam zu täuschen! Besser wäre es, du würdest ganz offen sagen: ‹ Celio, ich habe Euch nie geliebt! Geht hin und sterbt, wo es Euch gefällt, ohne mich mit Euren Klagen zu belästigen und durch Eure Raserei zu verstören...! › Nein, leugne nicht, was ich hier in deinem Namen ausspreche...! Ich bin für dich nur noch ein Nichts, und ob mich nach dem Kopfgeld begierige Sbirren oder Bauern durch die Berge von Asolo hetzen, ob man mir mit ein paar Armbrustpfeilen die Brust durchbohrt oder ob ich lebend gefasst und auf der Piazzetta gerichtet werde, das ist dir nunmehr völlig einerlei! Du liebst mich nicht mehr...! Du hast mich nie geliebt...! Und du, Patrizierin, Tochter und Frau von Patriziern, Gemahlin eines Inquisitors – zusammen mit deiner ganzen adligen Sippschaft wirst du vor Gott Rechenschaft ablegen müssen über mein Blut...!»
« Ich?», stammelte das Mädchen wankend und mit tonloser Stimme.
Da erkannte der Cavaliere, dass er nur noch ein Haarbreit vom Abgrund entfernt war, weil er einen Zügel zu straff angezogen hatte; daher beeilte er sich,
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