Ein Engel an Güte (German Edition)
diesen zu lockern und den anderen anzuziehen, um auf den Weg zurückzukehren und sein angepeiltes Ziel zu erreichen.«Ein wenig Liebe! Ein wenig Liebe!», rief er schluchzend, erneut die Stillage wechselnd.«Sie ist etwas so Heiliges, so Süßes...! Ein wenig Liebe, doch bloß, um meine Seele zu retten, nichts sonst, um mich der Verzweiflung zu entreißen...! Und du hast nicht gewollt...! Du hast zu mir gesagt: Verfall deiner Verdammnis...! Ach, wenn es hingegen wahr wäre», fuhr er wie in himmlischer Verzückung fort,«wenn du ein Engel wärst...! Nein Gott, mein Gott, uns nie mehr wiederzusehen, nie mehr...! Weder auf Erden noch im Himmel noch in der Hölle!»
Bei diesen Worten drückte Celio Morosina an seine Brust; nach der Ohnmacht, der seine düsteren Prophezeiungen sie ziemlich nahe gebracht hatten, regten sich nun, als sie von«Seele»,«Rettung»,« Verdammnis»reden hörte, wieder Mitleid und Liebe in ihr, stärker denn je.
« Oh, einmal, ein einziges Mal nur noch!», hob Celio wieder an.«Sag mir, dass du mich liebst, sag es aus Erbarmen mit einem Sterbenden...! Und sollte es auch nicht wahr sein, aber sag es! Sag es, nur um meine Seele zu retten!»
« Oh, ich liebe dich, ich liebe dich!», rief Morosina mit der ganzen Aufrichtigkeit, die die Unglückliche in diesem Bekenntnis fühlte.
« Und morgen vielleicht sterben!», versetzte Celio mit einem Seufzer und drückte einen Kuss auf die hellblonden Flechten, die sich bei diesen heftigen Bewegungen gelöst hatten.
« Sterben? Oh, mein Gott, nein...! Nein, Celio!», rief das Mädchen.
« Aber du liebst mich, ist das wahr? Du liebst mich?», fragte er, als ob ihm ihre Liebe mehr am Herzen läge als sein Leben; und indem er dies sagte, wusste er nicht, ob er eine Rolle spielte oder die Wahrheit sprach.
« Ja, ich liebe dich», rief die Ärmste aus tiefster Seele und schloss ihn in die Arme.
In diesem Augenblick hörte man im Vorzimmer ein flüchtiges Geräusch von Schritten; Celio war noch geistesgegenwärtig genug, es zu bemerken und sich rasch in Ordnung zu bringen, und er bedeutete ihr, desgleichen zu tun. Die Schritte kamen näher, dann schienen sie sich zu entfernen, dann wie ungeduldig zu scharren und erneut näher zu kommen, dann noch einmal zurückzuweichen, sodass dem Mädchen ausreichend Zeit blieb, ihre Flechten wieder hochzustecken. Sie saßen beide in schicklicher Entfernung voneinander, beide reglos und still, Celio ruhig wie ein Meer nach einem Monat der Windstille, Morosina wie ein Meer, das sich nach einem Monat voller Stürme eben geglättet hat, als die Schritte sich langsam der Tür näherten, diese sich langsam in den Angeln drehte, die Portiere gehoben wurde und damit im passendsten Augenblick Chirichillo erst die Locken seiner Perücke, dann die Spitzen seiner Schuhe und schließlich die ganze restliche pechschwarze Person in den Raum schob. Und all diese Teile waren durch Gebärden und Gesten des Zögerns dramaturgisch bestmöglich aufeinander abgestimmt.
« Oh, Seine Exzellenz ist nicht hier...! Entschuldigen Sie, meine Herrschaften, haben Sie Seine Exzellenz nicht gesehen?», fragte er, wobei er sich mit leicht einfältigem Gebaren umsah.
« Nein, nein!», antwortete ihm Celio mit einer Miene, die besagte:«Verschwinde!» –«Seine Exzellenz ist im Rat, dort könnt Ihr ihn finden, wenn es Euch eilt.»
« Also gut, ich werde hier auf ihn warten», bemerkte der Gerichtsschreiber mit dem größten Gleichmut, indem er es sich auf einem reizenden Sesselchen beim Fenster bequem machte.«Na, im Grunde hat es ja gar keine so große Eile! Stellen Sie sich vor, er ist zum Präsidenten auf Lebenszeit der Accademia dei Magnifici 98 ernannt worden!»
Celio machte eine Geste, die besagen sollte:« Was gehen mich Seine Exzellenz und die Magnifici an!»
Doch der Schreiber tat, als verstünde er nicht, wandte geduldig den Kopf zum Fenster und sagte kein Wort mehr.
« O mein Gott!», murmelte der Cavaliere.«Was für eine ewige Plage dieser Schreiber aber auch ist!»
Morosina, aus der Benommenheit erwacht, die sie an Händen und Füßen gefesselt Celio ausgeliefert hatte, fand das Eintreten des Alten überhaupt nicht so unpassend, erblickte vielmehr auch diesmal in ihm ihren Schutzengel.
« Der Ärmste!», sagte sie ebenfalls leise.«Er hat mich so lieb!»
« Ich habe dich noch lieber!», flüsterte Celio ihr ins Ohr.«Ich habe dich noch lieber, und während er dich heute, morgen, immer sehen kann ... muss ich dagegen...»
Das
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