Ein Engel fuer Emily
sie mit mehr Eifer, als sie ihm zeigen wollte.
»Nein«, lehnte er rundweg ab. »Alfred und ich kommen bestens zurecht. Geh du lieber wieder auf den Dachboden. Der Captain sagt, da oben gäbe es einen Schatz, aber möglicherweise meint er damit nur etwas, was ihm persönlich viel bedeutet. Andererseits war er ein sehr reicher Mann...«
Wieder fühlte sich Emily ausgeschlossen wie ein lästiges Kind, das nichts von den Angelegenheiten der Erwachsenen verstand. »Hast du schon Männer für mich aufgetan?«, erkundigte sie sich spitz. »Ich bevorzuge den gut aussehenden und männlichen Typ. Vergiss nicht, ich wünsche mir ein halbes Dutzend Kinder.«
»Ich habe vor Tagen - na ja, vor Stunden - drei Männer für dich gefunden.«
»Oh«, flüsterte Emily niedergeschlagen.
Michael spähte kurz zu ihr hin. »Das wolltest du doch, oder nicht? Hast du dich vielleicht eines anderen besonnen?«
»Selbstverständlich nicht. Schließlich habe ich keine andere Wahl. Du wirst bald verschwinden, und Donald hast du verjagt, also muss ich wohl oder übel einen von diesen drei Männern nehmen.«
»Du könntest auch allein bleiben oder dir selbst einen Mann suchen und heiraten.«
»Nein, danke. Du hast mir drastisch vor Augen geführt, wie dumm ich mich dabei schon immer angestellt habe.« Sie blitzte ihn an. »Ich habe mir immer unpassende Männer ausgesucht. Sieh dir doch nur Donald und andere an, mit denen ich mich eingelassen habe.« Sie meinte ihn damit und machte so deutlich, dass er genauso schlecht für sie sei wie all die Kerle aus ihren früheren Leben.
Michael würdigte sie keines Blickes. »Aber mich hast du nicht ausgesucht, Emily. Ich habe dich gefunden. Jetzt lauf schon und such den Schatz. Der Captain sagt, es sind Rubine; seine Frau liebte Rubine.«
Emily überlegte, ob sie sich auf die Matratze hocken und nicht von der Stelle rühren sollte, nur um ihm zu zeigen, dass sie ihm keinen Gehorsam schuldete, aber schließlich gewann ihre Neugier auf diese Rubine doch die Oberhand. Als sie wieder einmal die Treppe hinaufstieg, war sie ganz sicher, ein Lachen zu hören. Offenbar amüsierte sich der Captain darüber, dass ihr die funkelnden Steine wichtiger waren als Rache. »Deine Frau hat vielleicht Selbstmord begangen, nur um von dir wegzukommen«, flüsterte sie gehässig, hätte sich aber am liebsten gleich auf die Zunge gebissen, als sie fühlte, wie der Geist verschwand. Sie spürte nur noch Leere um sich herum.
»Großartig«, brummte sie. »Ich habe ein Gespenst und einen Engel beleidigt. Wer ist der nächste? Vielleicht sollte Gott mich ganz dem Bösen überlassen. Mit etwas Glück gelingt es mir, diesen bösen Geist so wütend zu machen, dass er sich in die Schmollecke zurückzieht und nie wieder ein Wort mit irgendjemandem spricht.«
Sie schleppte sich auf den Dachboden, durchwühlte Truhen und sah sich die Bücher genauer an. Die Rubine fand sie nicht, dafür einige prachtvolle Möbelstücke, wertvolle Bücher und ein wunderschönes Porzellanservice. Am Nachmittag hockte sie sich auf eine der Truhen und sah sich um. Eines musste sie dem Captain lassen -sein Geist war offenbar sehr stark, sonst wäre es ihm nicht gelungen, in all diesen Jahren Plünderer und Räuber von dem Haus fern zu halten. Emily kannte einige Antiquitätenhändler, die eine Menge dafür gegeben hätten, das zu sehen, was sie jetzt vor sich hatte - unter diesen Sachen waren einige wirkliche Schätze, das war ihr bewusst.
»Ich frage mich, wie viel das alles wert ist«, sagte sie laut, aber statt einen weiteren Gedanken an Geld zu verschwenden, stellte sie sich vor, wie hübsch der Ohrensessel mit den geschnitzten Adlerköpfen an den Armlehnen unten im Wohnzimmer aussehen würde. In einer Truhe befanden sich nur Vorhänge, und Emily fragte sich, ob man sie reinigen, gegebenenfalls flicken und wieder aufhängen könnte. Die roten würden großartig ins Esszimmer passen. Sie sah den Raum vor sich, wenn er zur Weihnachtszeit mit roten Kerzen geschmückt und der Tisch mit dem schönen Service und dem Silberbesteck gedeckt war, das sie gefunden hatte. Und ...
Mit einem Mal war ihr, als würde das ganze Haus vibrieren. Im ersten Moment dachte sie an ein Erdbeben, aber die Gegenstände schwankten nicht. Die Schwingungen bewegten nur die Luft, als wäre sie elektrisch aufgeladen.
»Engel und Gespenster«, sagte sie und wusste, dass Michael endlich auf das gestoßen war, wonach er seit Tagen suchte. Ohne sich den Staub aus den Kleidern zu
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