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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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ich ihn verliere , dachte er niedergeschlagen.
    »Abby, wollen Sie mir helfen?«
    »Ihnen helfen, Sie da rauszuholen? Aber natürlich.«
    »Nein, Sie sollen mir nicht helfen, mich da rauszuholen, sondern mir helfen, mich noch tiefer in den Schlamassel hineinzureiten …«

Kapitel 26
    Werden Sie reich,
    und die ganze Welt ist sich einig,
    Sie einen Herrn zu nennen.
    Mark Twain

    Creed Leroy spulte die Videokassette zum Anfang zurück. In den letzten zwei Tagen hatte er sich diese Szene über zwanzig Mal angesehen, aber er wurde es nicht leid, sie immer wieder von neuem anzuschauen.
    Wirklich, er bedauerte nicht, vor einigen Monaten diese kleine Infrarotkamera gekauft zu haben. Damals hatte der Besitzer der Tankstelle die Vorwürfe seiner Frau ertragen müssen, die in dieser technischen Spielerei nur eine zusätzliche, unnötige Ausgabe sah. Dabei war sie nicht einmal teuer gewesen, lumpige 475   Dollar im Versandhandel, inklusive Versandkosten. Aber was auch immer er tat, Christy fand stets einen Grund, ihn zu beschimpfen. Doch diese Zeiten waren jetzt vorbei, denn diese armseligen 475   Dollar würden ihm eine Million einbringen. Eine Million, wer bietet mehr? Die beste Geldanlage aller Zeiten. In einem Augenblick, in dem sich der ganze Planet über fallende Börsenkurse beklagte, fand er, Creed Leroy, die Goldmine.
    Er regelte Helligkeit und Kontrast am Monitor und legte eine leere Kassette in einen zweiten Recorder, den er mit seinem Videorekorder verbunden hatte. Es war besser, zur Sicherheit eine Kopie anzufertigen.
    Er hatte Glück gehabt, das stimmte. In der Regel löschte er die Videobänder jeden Abend, ohne sie anzuschauen. Doch am 18.   Dezember hatte ihn ein Problem mit der Programmierung des Alarms fast eine Stunde lang beschäftigt, und um nicht zu spät ins Bett zu kommen, hatte er beschlossen, die Arbeit auf den nächsten Tag zu verschieben.
    Ha, ha! »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen«, sagt das Sprichwort. Alles Blödsinn! Denn als er am nächsten Morgen die Zeitung aufschlug, sah er den Jeep auf einem Foto neben dem Artikel über den Unfall mit Greenfields Jungen. Er hatte sich sofort an diesen Wagen erinnert, der bei ihm voll getankt worden war – offensichtlich kurz vor dem Unfall. Am meisten jedoch verwunderte ihn die Identität des Fahrers, denn keinesfalls hatte am Abend zuvor dieser junge Anwalt am Steuer des Jeeps gesessen. Nein, er erinnerte sich ganz genau – einer dieser reichen alten Knacker aus der Gegend hatte den Wagen gefahren: dieser Jeffrey Wexler, der für gewöhnlich nur mit Chauffeur unterwegs war.
    Creed hatte sich also auf die Aufnahmen gestürzt, die seine Erinnerung bestätigten: Wexler war ganz allein, und er war völlig betrunken, und das passierte wenige Minuten, bevor der Jeep den Jungen anfuhr!
    Trotzdem behauptete die Zeitung, der New Yorker Anwalt habe von sich aus zugegeben, den Unfall verursacht zu haben. Creed Leroy hatte vielleicht nicht die Universität besucht, doch um zu merken, dass an dieser Geschichte etwas faul war, hatte er nicht lange gebraucht. Wieder so eine Kungelei unter Anwälten, hatte er gedacht. Wie die Mehrheit seiner Mitbürger verabscheute Creed Anwälte und betrachtete sie als Bestien, die einzig von ihrer Geldgier getrieben wurden. Er überprüfte die Registrierkasse. Wexler hatte mit einem Zwanzig-Dollar-Schein bezahlt. Also führte keine Spur über eine Kreditkarte zu ihm, und außer ihm selbst hatte niemand Wexler an der Tankstelle gesehen.
    Anfangs hatte er in Betracht gezogen, zur Polizei zu gehen, dann aber den Plan schnell wieder aufgegeben: Gute Taten werden in dieser Welt niemals belohnt. Nein, er würde nicht die geringste Anerkennung für seine Mitarbeit ernten. Bestenfalls würde sein Name in der Lokalzeitung erwähnt werden. Einer dieser Schreiberlinge aus der Redaktion hätte ihn vielleicht aufgesucht, um ihn zu interviewen, man hätte ein oder zwei Tage von ihm gesprochen, dann wäre die Sache vergessen worden.
    Er hatte eine viel bessere Idee. Sicher, sie barg Risiken, bot ihm aber vor allem die einmalige Gelegenheit, sein Leben zu verändern. Intuitiv hatte Creed sich dafür entschieden, seine Frau nicht einzuweihen. Seit einiger Zeit war er seines Lebens überdrüssig. In seinen geheimsten Träumen war er davon überzeugt, dass irgendwo eine andere Existenz auf ihn wartete, eine Existenz, in der er ein anderer sein würde.
    Creed Leroy blieb abends viele Stunden vor seinem Computer sitzen

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