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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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und surfte im Internet. Den Rest seiner freien Zeit verbrachte er mit Angeln und Wandern. Manchmal, während er auf Kundschaft wartete, las er gern ein paar Seiten in den Bestsellern, die er sich aus dem Taschenbuchständer der Tankstelle auslieh. Er mochte keine Geschichten über Serienmörder, aber er las gern Thriller aus dem Justiz- und Finanzmilieu, selbst wenn er nicht immer alles verstand. Eines Tages war er auf ein fesselndes Buch gestoßen, das er erst nach der letzten Seite wieder aus der Hand legte. Es war ein Roman von John Grisham (immerhin ein ehemaliger Anwalt …), Der Partner oder so ähnlich. Es war eine spannende Geschichte, in der ein Mann seinen Tod vortäuschte, um sein Leben mit einer neuen Identität noch einmal von vorn zu beginnen. Aber um bei null anzufangen, brauchte er Geld. In dem Schmöker von Grisham erpresste der Held mehrere hundert Millionen von seinen Partnern, doch er, Creed Leroy, würde sich mit einer Million zufrieden geben. Und dieser Anwalt aus New York, dieser Nathan Del Amico, würde sie ihm freundlicherweise überlassen.
    Erst hatte er die Absicht, Jeffrey Wexler zu erpressen, aber nach einigen Überlegungen beschloss er, dass es besser wäre, sich an dessen ehemaligen Schwiegersohn zu wenden. Der hatte schließlich die Fahrerflucht zugegeben. Und außerdem war Wexler viel zu einflussreich in dieser Gegend. Leroy hatte also seinen kleinen Laden für diesen Tag geschlossen. Er ging ins Internet und erhielt problemlos allerlei Auskünfte über Del Amico, vor allem die Fax-Nummer seines Büros. Er hatte dann eine Digitalisierungssoftware gekauft, um die Bilder der Überwachungskamera aus seinem Videorekorder ins Internet stellen zu können. Und um keine Spuren zu hinterlassen, hatte er das Fax in einem Copyshop in Pitsfield abgeschickt.
    Sein ganzes Leben lang hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Den Augenblick der Rache. Er würde der Welt zeigen, wozu Creed Leroy im Stande war. Wenn alles gut ging, würde auch er bald italienische Anzüge und Hemden von Ralph Lauren tragen. Er würde sich vielleicht sogar so einen Jeep kaufen, wie der Anwalt einen hatte, das neueste Modell natürlich.
    In jedem Fall würde er weit weg gehen. Weit weg von diesem Kaff und diesem Job, denn beides hasste er. Weit weg auch von seiner Frau. Er ertrug sie nicht mehr, seit ihr ganzer Ehrgeiz darauf gerichtet war, sich den Busen vergrößern und eine Tätowierung in Form einer Schlange kurz über dem Hintern machen zu lassen.
    Er drückte auf die Auswurftaste, nahm die Videokassette aus dem Rekorder und steckte sie in einen großen Umschlag aus Packpapier.
    Seit zwei Tagen schlug sein Herz höher. Einmal im Leben sollte auch er Glück haben!
    Niemand in diesem Land gab es zu, aber das Glück veränderte oft alles, viel mehr als persönliche Fähigkeiten. Es war wichtig, im rechten Moment am rechten Ort zu sein, zumindest einmal im Leben: Das war das Entscheidende.
    Creed schaltete den Alarm ein und verschloss die Eingangstür des Ladens. Eine Rauchglasscheibe zeigte ihm sein Gesicht. Er war noch nicht alt. Im März würde er vierzig werden. Er hatte den ersten Teil seines Lebens vergeudet, aber er war entschlossen, im zweiten Teil alles nachzuholen. Aber dafür musste dieser Anwalt zahlen.
    20. Dezember
    Nathan hatte seine guten Angewohnheiten wieder aufgenommen: Um sechs Uhr morgens joggte er im Central Park und um halb acht war er im Büro.
    »Ich hab Ihnen Beignets mitgebracht«, verkündete er, als er die Tür zu Abbys Zimmer öffnete.
    »Führen Sie mich nicht in Versuchung«, protestierte sie, »ich nehme mindestens zwei Kilo zu, wenn ich sie nur anschaue.«
    Sie machten sich an die Arbeit und fanden sehr schnell den Namen des Tankstellenbesitzers in Stockbridge heraus – ein gewisser Creed Leroy. Nathan war sich bewusst, dass er seine letzte Schlacht schlagen würde. Sein Entschluss stand nach wie vor fest: Er würde Jeffrey vor dem Gefängnis retten, koste es, was es wolle. Um Mallory zu schützen, würde er sogar die astronomische Summe ausgeben, die dieser Leroy von ihm verlangte.
    Normalerweise hätte er anders reagiert. Er hätte so lange in Leroys Vergangenheit herumgewühlt, bis er ein Druckmittel gefunden hätte, um ihn einzuschüchtern. Dank seiner Erfahrung als Anwalt wusste er, dass es im Leben eines jeden Menschen dunkle Geheimnisse gibt. Wenn man sich genug Zeit ließ, wurde man am Ende immer fündig.
    Aber er hatte keine Zeit mehr. Er musste nun diese schöne Million

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