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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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ihrem Drehstuhl um und schaute ihn missbilligend an:
    »Ihre Post liegt seit einer Stunde auf Ihrem Schreibtisch. Und sind Sie sicher, dass Ihnen ein extra starker Kaffee gut …«
    »Ich will ihn sehr stark und ohne Milch. Danke.«
    Er betrat sein Büro, widmete sich zwanzig Minuten lang seiner Post, rief seine E-Mails ab und trank dabei seine letzte Tasse Kaffee. Er hatte eine Mail von einem Mitarbeiter erhalten, der ihn zu einem Punkt der Rechtsprechung im Fall Rightby’s um Hilfe bat. Er wollte ihm gerade antworten, dass …
    Nein, es war unmöglich, sich zu konzentrieren. Er konnte nicht so tun, als ob das alles nicht passiert wäre. Er musste diese Angelegenheit in Ordnung bringen.
    In Windeseile schloss er sein Notebook, schnappte sich seinen Mantel und verließ sein Büro.
    »Abby, bitten Sie den Portier, mir ein Taxi zu rufen, und sagen Sie alle meine Termine für heute Morgen ab.«
    »Aber mittags müssen Sie mit Jordan reden …«
    »Versuchen Sie die Verabredung auf Spätnachmittag zu verlegen, bitte, ich glaube, er hat dann Zeit.«
    »Ich weiß nicht, ob ihm das gefallen wird.«
    »Das ist mein Problem.«
    Sie folgte ihm auf den Flur und rief ihm nach: »Nathan, Sie brauchen Ruhe, und das sage ich Ihnen nicht zum ersten Mal.«
    »South Ferry Terminal«, gab er an, während er die Tür des Taxis hinter sich schloss.
    Da er dem Chauffeur 20   Dollar extra versprochen hatte, gelang es ihm gerade noch mit den letzten Passagieren die Zehn-Uhr-Fähre nach Staten Island zu erreichen. In knapp 25   Minuten brachte ihn das Boot in dieses aufblühende New Yorker Viertel. Die Überfahrt war Aufsehen erregend, doch weder der Anblick von Lower Manhattan noch der kühne Ausdruck der Freiheitsstatue bereiteten ihm Vergnügen, da er nur eines wollte – so schnell wie möglich dort anzukommen.
    Kaum wieder an Land, rief er ein Taxi und ließ sich rasch zum Staten Island Public Hospital fahren.
    Das Krankenhaus lag inmitten einer weiten Grünfläche in der Nähe von St.   George, dem Hauptort des Distrikts an der nordöstlichen Spitze der Insel. Das Taxi hielt vor der chirurgischen Klinik. Seit gestern Abend hatte es nicht mehr geschneit, aber der Himmel war grau und wolkenverhangen. Nathan betrat das Gebäude im Laufschritt. Eine Empfangsdame hielt ihn auf.
    »Sir, Besuch ist erst ab …«
    »Ich möchte Dr.   Goodrich sprechen«, unterbrach er sie.
    Er war völlig aufgedreht. Prozac hatte manchmal eine seltsame Wirkung auf ihn.
    Sie tippte ein paarmal auf ihre Tastatur, um den Operationsplan auf den Bildschirm zu bekommen.
    »Der Professor hat gerade eine Biopsie gemacht und muss anschließend ein Ganglion abtragen und entfernen. Sie können ihn jetzt nicht sprechen.«
    »Benachrichtigen Sie ihn trotzdem«, bat Nathan.
    »Sagen Sie ihm, Del Amico ist da. Es ist dringend.«
    Die Empfangsdame versprach, sie werde sehen, was sich machen lasse, und bat ihn, sich in einem Wartezimmer zu gedulden.
    Goodrich kam eine Viertelstunde später. Er trug einen blauen Arztkittel und eine OP-Haube auf dem Kopf.
    Nathan stürzte sich auf ihn.
    »Mein Gott, Garrett, bitte erklären Sie mir endlich, was …«
    »Bald. Im Augenblick geht es nicht.«
    »Ich lasse Sie nicht gehen! Sie schmuggeln sich in mein Büro ein, Sie belästigen mich zu Hause, Sie machen mich zum Zeugen eines schrecklichen Selbstmords und bemerken dazu nur lakonisch: ›Denken Sie darüber nach, wie kurz das Leben ist.‹ Das wird mir allmählich unheimlich.«
    »Wir reden später. In einem Zimmer wartet ein Mann darauf, dass man ihm einen Tumor herausoperiert …«
    Nathan gab sich größte Mühe, Ruhe zu bewahren. Er traute sich dem Arzt gegenüber die schlimmsten Gewalttaten zu.
    »… aber Sie können mitkommen, wenn Sie dazu aufgelegt sind«, schlug Goodrich vor und machte auf dem Absatz kehrt.
    »Wie bitte?«
    »Schauen Sie bei der Operation zu, das ist sehr lehrreich.«
    Nathan seufzte. Er spürte, dass Garrett wieder die Oberhand gewann, und dennoch folgte er ihm widerstrebend. Aber was hatte er schon zu verlieren?
    Nathan befolgte peinlich genau die Vorschriften für die Sterilisierung. Er seifte sich Hände und Ellbogen mit einem antibakteriellen Schaum ein, bevor er sich eine Stoffmaske über Mund und Nase legte.
    »Was steht auf dem Programm?«, fragte er mit unbeteiligter Miene.
    »Speiseröhrenresektion über abdominothorakalen Zugang«, erwiderte Goodrich und stieß die Flügeltür auf.
    Nathan unterließ es, nach einer geistvollen Bemerkung

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