Ein Engel mit kleinen Fehlern
Freund einladen?" fragte Barbara.
"Wie?" Erstaunt sah sie Barbara an.
"Ihr Freund", wiederholte Barbara. "Möchten Sie ihn zum Frühstück einladen?"
"Er ist nicht mein Freund", sagte Rae schärfer als nötig.
"Was ist er denn?"
"Ein Polizist", erwiderte sie. "Nur ein Polizist."
Gegen Mittag betrat Rae ihr Büro und setzte sich sofort an den Computer. "Du wirst dich noch wundern, MacLaren", murmelte sie. " Smithfield gehört mir."
Sie gab ihren Code für das Makler-MLS-Programm ein und suchte nach Immobilien, die die Stadt in den letzten Jahren erworben hatte. Nach zwei Stunden hatte sie elf Objekte in städtischem Besitz und neun, die in den vergangenen sechs Monaten verkauft worden waren.
Zufrieden lehnte sie sich zurück. MacLaren hatte sich verrechnet. So schnell gab sie nicht auf.
Als etwas durch den Briefschlitz der Eingangstür fiel, drehte sie sich um. Es war ein dicker weißer Umschlag. Keine Adresse, kein Absender, keine Briefmarke. Rae schoss aus dem Stuhl und riss die Tür auf.
Der Korridor war leer.
Dann sah sie, wie sich die Tür zum Treppenhaus bewegte.
Sie rannte hinüber, aber auch dort war niemand mehr.
"Interessant", murmelte sie.
Sie hob den Brief auf, schloss die Bürotür hinter sich ab und schlitzte den Umschlag mit dem Fingernagel auf.
"Wow!"
Es war Geld. Ein ganzes Bündel Hundert-Dollar-Scheine. Sie breitete es auf dem Schreibtisch aus und begann zu zählen.
Zwei Minuten später stieß sie den angehaltenen Atem aus.
Zwanzigtausend Dollar.
Sie schaute noch einmal in den Umschlag und entdeckte einen kleinen Zettel.
Ein einziger Satz stand darauf, gestochen scharf, offenbar aus einem Laserdrucker.
"Eine kluge Frau weiß, wann sie aufgeben muss ", las sie leise. Jemand wollte sie bestechen.
Sie hielt die Banknoten vor die Lampe. Sie waren gebraucht, und aus jedem einzelnen Schein war der hauchfeine Codestreifen aus Metall entfernt worden.
"Hmm. Da hat jemand zu viel Geld", murmelte sie.
Entweder war es tatsächlich ein Bestechungsversuch, oder die Polizei wollte ihr eine Falle stellen. Nein, dachte sie und schüttelte den Kopf. Die Polizei würde sich nicht die Mühe machen. Schließlich war Peter Smithfield schon in ihrem Gewahrsam.
Also sollte sie bestochen werden. Sie verzog das Gesicht und warf das Geld auf den Schreibtisch. Rae Ann Boudreau war unbestechlich. Und sie gab auch nicht auf.
Doch das hier bedeutete, dass der Fall tatsächlich so wichtig war, wie Gabriel MacLaren zu glauben schien. Vielleicht sollte sie mit ihm darüber reden. Vielleicht konnten sie einen Kompromiss finden, von dem sie beide etwas hatten.
Rae zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte. Hastig stopfte sie das Geld in den Umschlag und legte ihn in die Schublade.
"Mach die Tür auf, Rae."
Die tiefe Stimme ließ ihr Herz schneller schlagen. "Wenn man von Teufel spricht..." murmelte sie. "Was willst du?" rief sie über die Schulter.
"Mit dir sprechen."
Am liebsten hätte sie ihn gefragt, ob er einen
Durchsuchungsbefehl hatte. Doch dann seufzte sie nur und löschte den Computerbildschirm.
"Komm herein."
"Es ist abgeschlossen."
Also hatte er es schon versucht. Sie lächelte trocken.
Polizisten.
Sie stand auf und ließ ihn herein.
"Was kann ich für Sie tun, Detective?" sagte sie und setzte sich auf die Schreibtischkante.
"Ich habe eine schlechte Nachricht", erwiderte Gabriel.
"So?"
"Du wirst mich noch eine Weile ertragen müssen. Mein Captain will, dass ich bei dir bleibe, bis der Fall gelöst ist."
"Um mir das zu sagen, bist du hergekommen?"
Er verschränkte die Arme. "Wir müssen reden."
Rae fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Da hast du Recht."
"Wirklich?" fragte er überrascht.
"Sicher. Wir haben beide etwas zu tun und sollten uns durch private Probleme nicht davon abhalten lassen."
"Was haben wir zu tun?" fragte er misstrauisch.
"Den Smithfield-Fall." Sie hob die Hände, bevor er protestieren konnte. "Hör mir erst einmal zu, ja?"
"Okay."
Sie zögerte. "Ich möchte dir etwas vorschlagen, und du sagst mir, was du davon hältst. Natürlich nur rein theoretisch."
"Natürlich."
"Angenommen, jemand weiß etwas über Peter Smithfield, das wichtig sein könnte ..."
"Wenn du etwas weißt, sag es mir, Rae."
"Warum sollte ich?"
"Es ist ein brisanter Fall, der ..."
"Warum?" unterbrach sie ihn.
"Du weißt, dass ich dir das nicht sagen kann."
Sie nickte. "Sich sklavisch an Vorschriften zu halten kann gefährlich sein."
"Dich im Arm zu halten auch."
"Wie meinst du
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