Ein Engel mit kleinen Fehlern
nicht anders.
"Der Trick ist, sich nicht dagegen zu wehren, sondern es bedeutungslos zu machen", sagte er, mehr zu sich als zu ihr.
"Sehr schlau", erwiderte sie spitz. "Und jetzt solltest du die Smithfield-Akte auftreiben, damit wir endlich anfangen können, nach einer Spur zu suchen. Je schneller wir das hier hinter uns bringen, desto besser."
"Da stimme ich dir zu", sagte er. Ganz kühl, als würde es ihm nichts ausmachen.
Rae schluckte, und diesmal wusste er, dass er sich die Tränen in ihren Augen nicht einbildete. Oh verdammt, dachte er. Von allen möglichen Reaktionen war dies diejenige, die er am wenigsten erwartet hatte.
Und die gefährlichste.
Gabriel läutete an Eddy Brakes Wohnungstür. Sie öffnete sich, und Eddys schmales Gesicht erschien im Spalt.
"Oh, du bist es", sagte Gabriels Partner und ließ ihn herein.
Eddy hatte seine Wohnung nicht mehr aufgeräumt, seit seine Frau ihn vor sechs Monaten verlassen hatte. Auf dem Couchtisch türmten sich leere Pizzakartons, und auf dem Fußboden standen unzählige leere Zweiliterflaschen. Soft Drinks. Gabriel hatte so etwas schon oft gesehen. Zu oft. Ihr Beruf war hart. Für die Männer wie für die Frauen, die jeden Tag befürchten mussten, dass ihr Mann nicht nach Hause kam.
"He, was ist?" fragte Eddy. "Du bist nicht zum ersten Mal hier."
"Nein, aber ich kriege noch immer Alpträume davon."
"Wie läuft es mit deiner sexy Spezialbotin?"
"Gar nicht", antwortete Gabriel knapp und fuhr sich seufzend durchs Haar. "Hör zu, du musst mir einen Gefallen tun. Versuch, so viel über Rae Boudreaus Exmann herauszufinden, wie du kannst. Er hat vor ein paar Jahren im Revier an der Stiller Street gearbeitet."
"Ja, ich kenne die Geschichte", sagte Eddy. "Brett Wilson hat mir sämtliche schaurigen Einzelheiten erzählt."
"Ich will keine schaurigen Einzelheiten. Ich will die Wahrheit."
Eddy grunzte. "Okay. Aber wenn du schlau wärst würdest du die Finger davon lassen."
"Wenn ich schlau wäre, wäre ich kein Polizist."
"Stimmt. Hier ist deine Akte", knurrte Eddy und drückte sie ihm in die Hand.
Rasch blätterte Gabriel den Ordner durch. Er runzelte die Stirn und sah noch einmal nach. Und fluchte.
"Was ist?" fragte sein Partner.
Gabriel klappte den Ordner zu. "Da fehlt etwas."
13. KAPITEL
"Was soll das heißen, da fehlt etwas?" fragte Rae.
Gabriel tippte auf die Akte. "Ich bin sicher, dass vor ein paar Tagen mehr drin war. Jemand muss etwas herausgenommen haben. Etwas, das ich nicht sehen sollte."
Rae lehnte sich zurück und musterte ihn. Im grellen Schein der Nachmittagssonne sah er grimmig und übermüdet aus.
"Natürlich haben sie etwas herausgenommen", sagte sie.
"Wenn es um Politik geht und die höchsten Kreise darin verwickelt sind, dann haben sie jemanden, vielleicht sogar mehrere, in ihrer Hand."
"Möglich."
"Deinen Partner?" fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. "Ich vertraue Eddy."
"Wem traust du nicht? Außer mir", fügte sie hinzu.
"Verdammt, Rae ..." Er sah aus dem Fenster ihres Büros.
Seine hoch gewachsene, schlanke Gestalt warf einen langen Schatten.
Rae verstand, was in ihm vorging. Sie hatte genau das Gleiche durchgemacht und sich lange dagegen gewehrt, das Vertrauen in das System zu verlieren. "Hör zu, MacLaren ..."
"Damit kommen sie nicht durch", sagte er auf gebracht. "Ich bin Polizist. Ich bin es geworden, weil ich an das Gesetz glaube.
Ich lasse nicht zu, dass jemand es straflos bricht, nur weil er politische Verbindungen besitzt. Ich schnappe ihn mir."
"Das wird schwer, wenn du vom Dienst suspendiert bist."
Er wirbelte so ruckartig herum, dass sie erschrak, und legte die Hände auf ihre Armlehnen.
Zu nah, dachte sie, während ihr Körper auf seine
Ausstrahlung, seinen Duft, seine Männlichkeit reagierte.
"Ich kaufe mir den Kerl, selbst wenn ic h dazu die ganze Stadtverwaltung vor Gericht bringen muss", knurrte er.
Was immer sie Gabriel MacLaren vorwerfen konnte, Feigheit war nicht darunter. Sie dachte daran, wie er sie vor Dillards heranrasendem Wagen gerettet hatte. Ihr Herz schlug schneller.
Wie viele Frauen konnten denn schon behaupten, dass ihr Mann für sie sterben würde? Hätte er sie doch nur lieben können.
"Du kannst meinen Stuhl jetzt loslassen", sagte sie.
Er sah sie an und richtete sich auf.
"Tut mir leid", flüsterte er. "Ich werde manchmal ein wenig leidenschaftlich."
"Ich erinnere mich", murmelte sie.
Er holte tief Luft, und sie bereute ihre Worte. Es war viel zu gefährlich, ihn daran zu
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