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Ein Erzfeind zum Verlieben

Ein Erzfeind zum Verlieben

Titel: Ein Erzfeind zum Verlieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Johnson
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zu sein.
    Doch wenn Haldon eine strahlende Burg voller Ritter und schöner Jungfern war, so war das Heim ihres Onkels ein Kerker gewesen, inklusive der Oger.
    So war es noch immer, dachte sie und verzog das Gesicht, als das steinerne Gebäude hinter einer Straßenbiegung in Sicht kam. Und es war ebenso trostlos und abweisend, wie Haldon Hall strahlend und gütig war. Mit seinem Säulenportikus, den beiden Fensterreihen und den vielen Schornsteinen mochte das alte steinerne Gebäude aus der Ferne zwar die Kennzeichen eines gewissen – wenn auch bescheidenen – Wohlstands tragen, doch man brauchte nur ein wenig näher zu kommen, um die Wahrheit zu entdecken. Es war dunkel, feucht und halb verfallen. Die Säulen bogen sich, die Fenster waren gesprungen, und die Schornsteine bröckelten.
    Es gab keine nennenswerten Gärten, nur hinten die vermodernden Ruinen einer alten, halbhohen Mauer und eines Gärtnerhäuschens. Nicht einmal ein Kräuterbeet war auf dem Gelände zu finden. Ihr Onkel machte sich nichts aus Gemüse, und sie vermutete, dass er durch den Alkohol schon vor längerer Zeit den Geschmackssinn eingebüßt hatte. Das wäre eine Erklärung dafür gewesen, dass er sich regelmäßig in der Küche über das zu spärliche Essen beschwerte, aber nie darüber, dass es fast ungenießbar war. Für ihn war die Größe der Portionen wichtiger als die Qualität der Speisen.
    Sie nahm ihren Koffer und sprang von der Kutsche herab. Sie hatte nur zwei Kleider von Haldon Hall mitgebracht und diese auch nur, weil sie wusste, dass Whit kommen würde. Andernfalls hätte sie sich mit den Kleidern begnügt, die sie im Haus ihres Onkels aufbewahrte.
    »Soll ich das für Sie tragen, Miss?«
    Sie lächelte den wartenden Diener an und schüttelte den Kopf. Niemals hätte sie einem Dienstboten von Haldon Hall erlaubt, das Haus ihres Onkels zu betreten. »Nein, vielen Dank. Sie sollten zurückfahren. Bei all den Gästen, die heute packen und aufbrechen, kann Lady Thurston sicher Ihre Hilfe brauchen.«
    »Sehr wohl, Miss.«
    Sie sah zu, wie die Diener sich wieder leichtfüßig auf die Kutsche schwangen, bevor sie davonrollte. Dann nahm sie die Schultern zurück, drehte sich um und ging auf das Haus zu.
    Ein gewaltiger Hund – von der Sorte, die so aussah, als könnte sie einen ganzen Arm mit einem Biss verschlingen – war neben der Vordertreppe angekettet. Es war ein riesiges Tier von fragwürdiger Abstammung und schnappte mit Vorliebe nach den Röcken der Frauen und den Waden der Männer, die vorbeieilten (auch wenn Mirabelle nie hatte herausfinden können, ob das Vieh nur unwillkommene Gäste abschrecken sollte oder alle Gäste). Der Hund hatte sie immer an Zerberus erinnert, der das Höllentor bewachte.
    Christian, der Stallbursche und ihr einziger Freund hier, hatte das immer ungeheuer komisch gefunden. Er verstand sich prächtig mit der Bestie und nahm sie oft auf lange Spaziergänge durch die Felder mit.
    Mirabelle hatte versucht, sich ebenfalls mit dem Hund anzufreunden, und ihm Leckerbissen und schöne Knochen aus der Küche gebracht. Aber es schien nichts zu nützen.
    Als sie die Treppe hinaufstieg, schnappte der Hund nach ihr. Er verfehlte sie zwar um ein ganzes Stück, dennoch zuckte sie zusammen.
    »Undankbarer Kerl«, murmelte sie, drückte die Haustür auf und nahm sich vor, Christian darum zu bitten, er solle das Tier während ihres Aufenthalts anderswo unterbringen.
    Es überraschte sie nicht, dass niemand in der Eingangshalle oder in einem der angrenzenden Räume bereitstand, um ihr mit dem Gepäck zu helfen. Das Personal ihres Onkels war an seiner Arbeit genauso wenig interessiert, wie das Personal von Haldon auf die seine stolz war.
    Sie hatte einen oder zwei von Bentons demokratischeren Bürgern Baron Eppersly als »einen großen Fürsprecher der Unterdrückten« bezeichnen hören. In Wahrheit hatte die Neigung ihres Onkels, die Alten, die Gebrechlichen und – vor allem – die Verrufenen einzustellen, nichts mit Großzügigkeit zu tun, sondern mit kalter Berechnung. Jemand, der dringend Essen und ein Dach über dem Kopf brauchte, beschwerte sich nicht so schnell über unbedeutende Kleinigkeiten wie unregelmäßige Bezahlung und Schläge durch eine fleischige Hand.
    Angst war jedoch etwas ganz anderes als Dankbarkeit, und Verzweiflung war wohl kaum eine Qualifikation. Daher kümmerte das abgemagerte Personal sich zumeist nur widerwillig um die Wünsche des Barons, oder es tat überhaupt nichts.
    »Da ist

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