Ein Erzfeind zum Verlieben
die Hände zu Fäusten, wenn du wütend bist«, konterte er. »Ich sollte es ja wissen.« Er musterte ihr Gesicht. »Außerdem bist du ziemlich blass.«
»Ich habe beim Abendessen zu viel Pudding gegessen.«
Er zog es vor, diese absurde Entschuldigung gänzlich zu ignorieren. Stattdessen betrachtete er sie forschend, und was er sah, tat ihm in der Seele weh. »Du hast Angst«, flüsterte er. Ohne nachzudenken, ergriff er ihre Schultern. »Was hat dir Angst gemacht, Kobold?«
»Nichts«, antwortete sie und hob das Kinn. »Ich habe keine Angst.«
»Sag mir, was los ist. Ich werde …«
Wieder schlug sie seine Hände weg. »Du wirst was?«, fauchte sie. »Dich bereit erklären, meinen Onkel in Ruhe zu lassen?«
»Das kann ich nicht.«
»Und ich kann dich durch nichts umstimmen?«
Er schüttelte den Kopf. »Bedaure.«
Sie nickte kurz und gab ihm den Schlüssel zurück. »Dann kommen wir hier nicht weiter. Ich möchte, dass du jetzt gehst, bitte.«
»Mirabelle …«
»Geh.«
Er hätte das Gespräch gern fortgesetzt, nahm jedoch widerstrebend den Schlüssel und verließ stattdessen das Zimmer. Mirabelle hatte recht – keiner von ihnen wollte nachgeben, und keiner war in der Position, den anderen aufzuhalten.
Mitten im Flur blieb er stehen.
Er konnte sie nicht aufhalten, obwohl das, was sie vorhatte, Spionage gegen ihre eigene Familie war? Was, wenn einer der Gäste ihres Onkels sich als dessen Komplize entpuppte und Mirabelle erwischte, wie sie irgendwo herumstöberte, wo sie nichts zu suchen hatte?
Zur Hölle damit!
Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück. Sie würde Vernunft annehmen, verdammt – oder auch nicht –, aber was auch geschah, sie würde tun, was man ihr befahl und was er für ihre Sicherheit als notwendig erachtete. Er war schließlich ein Graf, Herrgott noch mal – dass musste doch etwas zählen.
Als er hereinkam, stand sie am Fenster und hatte ihm den Rücken zugekehrt. Er ging zu ihr hinüber.
»Da diese Angelegenheit auch deine Sicherheit betrifft, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass dieses Gespräch noch nicht beendet ist. Es ist erst dann vorbei, wenn du verstanden hast, was hier auf dem Spiel steht. Außerdem habe ich beschlossen …« Er verstummte und fühlte sich plötzlich unbehaglich, weil sie sich nicht zu ihm umgedreht hatte. »Hörst du mir zu?«
»Nein.«
Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder, als er auf einmal ein Schniefen vernahm. Er trat einen Schritt zurück. »Weinst du etwa?«
»Nein.« Sie hickste.
»Lieber Gott, du weinst.« Verwirrt und entsetzt stand er da und sagte das Erstbeste, was ihm einfiel. »Ich wünschte wirklich, du würdest es nicht tun.«
Trotz seiner Anspannung merkte er, wie töricht diese Bemerkung war, aber verdammt, der Kobold weinte nicht. In all den Jahren, die er sie kannte, hatte er sie niemals weinen sehen. »Mirabelle …«
»Geh weg.«
Er war ernsthaft in Versuchung, genau das zu tun. Und es wäre nicht übermäßig schwer gewesen, seinen Rückzug zu rechtfertigen. Ein Gentleman drängte einer Dame, die allein zu sein wünschte, niemals seine Gegenwart auf. Wenn er ging, fügte er sich nur ihren Forderungen. Er sollte ihr lieber Zeit geben, sich zu fassen, dann konnten sie diese Angelegenheit klären.
Aber noch während ihm all diese Rechtfertigungen durch den Kopf gingen, trat er zu ihr und schlang die Arme um sie. »Nicht … Kobold, nicht.«
Sie entwand sich ihm. Er zog sie wieder an sich, weil er ihr Weinen nicht ertrug.
»Es tut mir leid, Kobold. Es tut mir leid, bitte, nicht weinen.«
In seinen Armen beruhigte sie sich, doch die Tränen flossen weiter. Er hörte es an ihren bebenden Atemzügen. Er hielt sie, wiegte sie sanft, bis ihr Atem wieder zu einem gleichmäßigen Rhythmus fand.
»Möchtest du mir nicht erzählen, worum es geht?«, fragte er leise und drehte sie um, sodass sie ihn ansah.
Sie zog sich ein wenig zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Ich möchte nicht, dass du hingehst.«
»Ich weiß, aber ich habe keine andere Wahl.« Er wischte ihr eine hartnäckige Träne von der Wange. »Verstehst du denn nicht …«
»Du hast sehr wohl eine Wahl«, rief sie und wand sich aus seinen Armen. »Du könntest hierbleiben. Du könntest mich allein hingehen lassen.«
»Nein«, antwortete er entschlossen. »Das kann ich nicht.«
»Du traust mir nicht zu, mich selbst darum zu kümmern.«
»Dies hat nichts mit Vertrauen zu tun.« Er sah sie stirnrunzelnd an. »Oder vielleicht hat es doch
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