Ein Erzfeind zum Verlieben
entschlossen, nicht dem Bild nachzuhängen, wie Whit auf der Suche nach einer menschenfressenden Bestie durch den Wald pirschte. Er musste recht wild ausgesehen haben, stellte sie sich vor – zerzaust und entschlossen. Und in Uniform.
Gütiger Gott, sie war sich nicht sicher, ob die Vorstellung sie eher mit Furcht oder Faszination erfüllte. Sie suchte nach einem anderen Thema. »Ähm … Apropos, die anderen werden heute auf die Jagd gehen.«
Whit, der gerade ein Ei aufschlagen wollte, hielt inne, um sie anzusehen. »Sie gehen tatsächlich jagen?«
»Oh, sie geben sich große Mühe, so zu tun, als würden sie jagen.«
»Wie geht der Baron dabei vor?«
»Er nimmt die Kutsche.«
»Er nimmt die Kutsche«, wiederholte Whit. »Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen.«
»Bis heute Abend wirst du damit keine Schwierigkeiten mehr haben. Obwohl du ihn nicht wissen lassen darfst, dass du es gesehen hast. Er hat dabei ein lächerliches System, aber es ist inzwischen eine Art Tradition. Er schickt die anderen unter irgendeinem Vorwand voraus, dann lässt er die Kutsche mit seinen Jagdgewehren und zwei Dienern vorfahren. Er fährt mit der Kutsche ein Stück die Straße hinunter bis zu einer abgeschiedenen Stelle und jagt von der bequemen Polsterbank aus.«
Er sah sie für einen Moment mit einer Mischung aus Verblüffung und Erheiterung an. »Nicht zu fassen, dass in diesem Gerücht ein Stück Wahrheit steckt. Auf diese Weise kann er doch noch nie etwas erlegt haben.«
»Einmal hat er ein Kaninchen geschossen. Das arme Ding kam zur falschen Zeit vorbei.« Bei der Erinnerung schnitt sie eine Grimasse. »Die Diener werden mit Gewehren ausgeschickt, und alles, was sie erlegen, gibt er als seine Beute aus.«
Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die Eier. »Wissen es die anderen?«
»Wenn ja, sind sie klug genug, es nicht zu erwähnen.« Sie dachte darüber nach. »Was vermutlich nein bedeutet.«
»Und sind die anderen manchmal erfolgreich bei der Jagd?«
»Nicht immer, auch wenn Mr Cunningham hin und wieder etwas erbeutet.«
»Der kranke Gast?«, fragte er und nahm eine Gabel, um die Eier zu schlagen.
»Ja. Zu schade, dass er sich nicht wohlfühlt. Er würde dir wahrscheinlich gefallen.« Als er verächtlich schnaubte, fuhr sie fort: »Ich meine es ernst. Er ist ungemein widerwärtig, aber nicht unfreundlich, und er hat Verstand im Kopf – primitiv zwar, aber vorhanden.«
»Du kommst also gut mit ihm aus?«
»Ja«, antwortete sie und klang selbst ein wenig überrascht über das Eingeständnis. »Nun – meistens.«
Whit nickte und beobachtete, wie die Eier in der Pfanne stockten. »Vielleicht habe ich beim Dinner Gelegenheit, mir ein Urteil zu bilden.«
»Schon früher, falls er beschließt, mit den anderen Herren auf die Jagd zu gehen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich werde mich ihnen nicht anschließen.«
»Du musst. Es ist eine Jagdgesellschaft, Whit. Es würde einen seltsamen Eindruck machen, wenn du nicht mitgingest. Selbst Mr Hartsinger geht mit, und der macht immer den Eindruck, als wüsste er nicht recht, an welchem Ende er das Gewehr halten soll.«
Sichtlich unwillig, die Küche nach einem sauberen Teller abzusuchen, nahm er die Pfanne vom Herd und stellte sie auf den Tisch. »Es wäre nicht so seltsam, nach der letzten Nacht Kopfschmerzen vorzuschützen.«
»Das vielleicht nicht«, räumte sie lächelnd ein. »Aber man würde dich als Schwächling ansehen.«
Er zuckte ein wenig zusammen, fing sich aber wieder. »Lässt sich dann wohl nicht ändern. Ich muss das Zimmer deines Onkels durchsuchen. Iss.«
»Oh, danke.« Sie griff nach ihrer Gabel und spießte ein wenig Ei auf. »Falls Mr Cunningham immer noch krank ist, kannst du genauso gut mit auf die Jagd gehen, denn sein Zimmer liegt neben dem meines Onkels. Ich glaube, es könnte einmal der Baronin gehört haben, denn es hat eine Verbindungstür.«
»Verdammt!«
Sie nahm einen weiteren Bissen. »Es schmeckt wirklich sehr gut, Whit.«
Er grunzte nur nachdenklich und stocherte in den Eiern.
»Da wäre noch der Dachboden«, sagte sie. »Zum Gelddrucken bräuchte mein Onkel Platz, nicht wahr?«
Er blickte sie an. »Du hast recht.«
»Natürlich glaube ich kaum, dass er es in den letzten zehn Jahren geschafft hat, die Treppe zum Dachboden hochzusteigen«, fügte sie hinzu.
Er zuckte die Achseln und wandte sich verstärkt seinem Frühstück zu. »Vielleicht lässt er sich die Gerätschaften ja von den Dienern bringen und
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