Ein Erzfeind zum Verlieben
Seife beiseite und massierte ihr den Seifenschaum ein.
»Hin und wieder«, sagte er leise, »arbeite ich als Agent für das Kriegsministerium, dessen Leiter William ist.«
»Oh. Tatsächlich?« Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Und die ganze Zeit dachte ich, er wäre nur ein Freund der Familie.«
»Er ist auch ein Freund der Familie. Aber zufällig befehligt er außerdem eine kleine Armee von Spionen.«
»Dann bist du also ein Spion?«
»Nicht direkt«, antwortete er so zurückhaltend, dass sie wusste, er würde nicht weiter darauf eingehen. Also schnitt sie ein anderes Thema an.
»Ist es sehr gefährlich?«
»Nicht sehr, nein. Nicht gefährlicher, als im Krieg zu kämpfen.«
»Warum tust du das? Du trägst bereits jetzt so viel Verantwortung.«
»Ich möchte meiner Familie etwas geben, worauf sie stolz sein kann.«
»Sie ist bereits stolz auf dich«, bemerkte sie. »Ungeheuer stolz. Du bist nahezu der perfekte Sohn, Bruder und Gutsherr. Es ist beinahe schon ärgerlich.«
»Danke«, erwiderte er unbefangen. »Aber das ist etwas anderes. Es ist … größer. Es ist etwas, das ich an meine Söhne weitergeben kann, sollte ich mit welchen gesegnet werden. Ein Vermächtnis, das mehrere Jahrhunderte der Scham ausgleichen kann.«
»Du schämst dich wegen deines Erbes?«, fragte sie mit einiger Überraschung.
»Ich glaube, du bist meinem Vater einige Male begegnet«, sagte er trocken. »Auch wenn er selten zu Hause war.«
Sie runzelte die Stirn. »Er schien mir recht fröhlich. Ich weiß, er war nicht der Verantwortungsvollste aller Männer, aber …«
»Die Gerüchte, die du gehört hast, werden seinen Vergehen nicht einmal annähernd gerecht. Er war eine nichtsnutzige Mischung aus Dandy und Lebemann und hat sich um nichts gekümmert als um sich selbst. Er starb nicht bei einem Reitunfall, wie man allgemein annimmt, sondern kam in einem Duell wegen einer Opernsängerin um.«
»Oh.« Guter Gott, sie hatte ja keine Ahnung gehabt! »Es tut mir leid.«
»Nun ja. Jetzt ist er tot, und nur wenige Menschen kennen die Wahrheit. Und nur wenigen würde man mehr Glauben schenken als mir. Dein Onkel weiß Bescheid.«
»Ach ja?«
»Ja, und einige seiner Gäste. Sie haben in den gleichen Kreisen verkehrt, verstehst du, aber wie gesagt, inzwischen will sich niemand mehr mit dem Grafen von Thurston anlegen. Jedenfalls nicht so sehr, dass es Anlass zur Sorge gäbe.«
Aber es gab Gerüchte, das wusste sie. Sie erinnerte sich an das Getuschel in den Ballsälen und Salons unmittelbar nach dem Tod des Grafen, aber wie alle anderen hatte sie es als unbedeutenden Klatsch abgetan. Whit hatte diesen Vorteil nicht gehabt, wurde ihr nun klar. Er würde ihn niemals haben.
»Es tut mir leid, Whit.«
»Wie ich bereits sagte«, erwiderte er und griff mit einer Hand nach ihrem Ellbogen, mit der anderen nach dem Glas. »Es ist Vergangenheit.«
Er zog sanft an ihrem Arm, und ihre Hand glitt aus dem Gefäß.
»Oh.« Versuchsweise bewegte sie die Finger.
»Tut es weh?«, fragte er und rieb ihr mit dem Daumen über das Handgelenk.
»Nein.« Im Gegenteil, seine Berührung ließ ihre Nerven vibrieren. »Es fühlt sich … gut an.«
»Nur gut?«, fragte er und presste seine Lippen auf die zarte Haut der Armbeuge.
»Äh … angenehm. Es fühlt sich sehr angenehm an.«
»Nur angenehm?«
»Nun, es ist bloß mein Arm.«
»Verstehe.«
Er richtete sich ein wenig auf, legte ihr die Hand um den Nacken und küsste sie.
Da waren wieder die Weichheit, die Sanftheit und das Verlangen. Mirabelle rutschte zum Rand der Truhe, und nach kurzem Zögern ließ sie die Hände zu seinen Schultern hinaufgleiten. Es war immer noch alles so neu für sie. Das Küssen, die Berührungen, die Art, wie sie sich gleichzeitig schamlos und unsicher fühlte. Sie war sich ganz und gar nicht gewiss, was sie tun oder nicht tun sollte – nur dass sie es so lange tun wollte wie nur menschenmöglich.
»Du hast einen so süßen Mund«, murmelte er an ihren Lippen, und ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. »Früher habe ich mir eingeredet, er würde bitter schmecken.«
Sie fuhr zurück. »Bitter?«
Er lächelte sie an. »Es wird dich wohl kaum überraschen, dass ich damals gerade wütend auf dich war.«
»Wütend auf … du hast schon früher daran gedacht, mich zu küssen? Bevor all das passiert ist?«
»Einmal, als ich noch jünger war.« Bei der Erinnerung daran grinste er breit. »Wir haben einander gerade wegen irgendetwas angebrüllt, und ich hatte
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