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Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Titel: Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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bestand aus dünnem Reispapier und sah aus wie eine Mischung aus Einkaufstüte und Bäckermütze. Stabilisiert wurde sie an der Basis von einem dünnen Ring aus Draht, in dessen Mitte sich ein flacher Behälter mit Brennmasse befand. Das Papier fühlte sich zart und federleicht in meinen Händen an.
    »Die hier ist für Joschi«, sagte ich. »Lassen wir sie jetzt fliegen?«
    »Ich würde sie gern anzünden«, sagte Gabor.
    »Ja, macht ihr beide das«, sagte Hannah.
    Ich hob die Laterne mit beiden Händen an den obersten Zipfeln, so hoch ich konnte. Gabor hielt die Flamme seines Feuerzeugs an die Brennmasse. Sie -loderte sofort auf. Es roch nach Spiritus. Die Papierhülle begann sich aufzublähen.
    »Hey, Joschi«, sagte meine Mutter, »Das ist mal was anderes, als immer nur auf Gleis 5 zu verreisen, was?«
    Es ging viel schneller, als ich erwartet hatte. Die Laterne war jetzt vollständig entfaltet, ihre Papiernähte straff gespannt. Das Reispapier berührte fast mein Gesicht, und ich konnte die warme Luft aus dem Inneren an meiner Haut spüren. Ich griff mit einer Hand nach dem unteren Ring und merkte einen leichten Zug aufwärts wie bei einem Heliumballon.
    »Ich glaube, ich kann gleich loslassen«, sagte ich.
    Der Zug wurde stärker. Ich hielt die Laterne jetzt mit beiden Händen an der Basis fest. Sobald ich meinen Griff ein wenig lockerte, begann sie nach oben zu drängen.
    »Achtung«, sagte ich.
    Ich öffnete meine Hände und nahm sie zur Seite. Zwei oder drei Sekunden lang verharrte Joschis Laterne bewegungslos in der Luft, als müsse sie noch über ihre Route nachdenken. Dann begann sie so senkrecht, als würde jemand von oben an einer Leine ziehen, in den dunklen Nachthimmel zu steigen. Es hatte etwas sehr Erhabenes, Majestätisches an sich. Ich hätte am liebsten applaudiert. Von unten sah die Laterne aus wie ein leuchtendes Feuerauge.
    »Gute Reise, Joschi«, sagte meine Mutter.
    »Wir denken an dich«, sagte Hannah.
    Gabor räusperte sich zweimal, bevor er sagte: »War schön, dich etwas näher kennengelernt zu haben.«
    »Diese Party hast du übrigens deiner Enkeltochter zu verdanken!«, rief meine Mutter mit halblauter Stimme hinterher.
    »Und der Strauß ist von Edgar«, ergänzte Hannah.
    »Alles Gute zum Geburtstag, Joschi«, sagte ich, und im Stillen fügte ich noch hinzu: »Ich bin stolz, dass du mein Großvater bist«, aber das ging nur mich und Joschi etwas an.
    Eine Weile sahen wir schweigend Joschis Licht hinterher. Hannah suchte im Dunkeln nach der Sektflasche und warf sie um, aber es blieb noch genug übrig, dass wir auf Joschis letzte Reise trinken konnten. Meine Mutter weigerte sich, eine Ansprache zu halten, obwohl Gabor und Hannah sie mehrere Male darum baten. Stattdessen drängte sie zum Weitermachen. Es stand außer Frage, dass die nächste Runde an Louise, Lotte und Frieda gehen würde, und diesmal bekam ich die Rolle der Anzünderin zugewiesen. Ich verbrannte mich ein bisschen an Louises Flamme, vielleicht war das ja ihre Rache für mein Gerede von vorhin, aber ich wurde entschädigt durch den Anblick, der sich mir bot: wie die drei Geschwister dastanden, die Gesichter von unten angeleuchtet, jeder mit der eigenen Mutterlaterne vor dem Bauch, die anschwoll und immer größer wurde, und dann ließen sie los, alle drei gleichzeitig, und Louise, Lotte und Frieda schwebten voller Anmut und Eleganz Joschi hinterher, der als winzig kleiner Lichtpunkt kaum noch von den anderen Sternen zu unterscheiden war.
    »Ist das schön«, sagte Hannah.
    »Und jetzt die Kinder und Margit«, sagte meine Mutter.
    »Mach doch nicht so einen Stress«, sagte Hannah und winkte den Müttern hinterher.
    Wir waren jetzt ein eingespieltes Team. Gabor nahm Tamás, meine Mutter Véra, ich bekam Margit und Hannah das Feuerzeug. Meine Mutter strich sorgfältig das Laternenpapier glatt und meinte, sie schulde ihrer kleinen großen Schwester einen perfekten und faltenlosen Aufstieg, allein schon wegen der vielen abfälligen Gedanken, die sie sich einst über Véras rotes Samtkleid gemacht hatte. Gabor gestand, dass er überhaupt nicht wisse, wie Véra und Tamás eigentlich ausgesehen hatten, und Hannah versprach, ihm Kopien von allen noch vorhandenen Fotos zu machen. Dann zündete sie die Lichter der drei Laternen an.
    Als wir sie in den Himmel entließen, strebte Margits Licht entschlossen nach oben. Véra und Tamás blieben zunächst ganz in der Nähe, aber als Tamás Laterne plötzlich ausscherte und eine

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