Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Sandpapier beschichtet.
    "Auf der Toilette oder so. Äh, soll ich den Typen sagen, daß sie gehen sollen oder was?"
    "Schicken Sie sie ins Haus gegenüber", sagte ich und fügte verärgert hinzu, "so wie wir es mit dem letzten Team und dem davor gemacht haben."
    "Sicher", murmelte er und machte keine Anstalten, zu gehen. Er spielte wieder nervös mit seinen Münzen herum.
    "Sonst noch was?" fragte ich mit erzwungener Geduld.
    "Nun", meinte er, "da ist etwas, was ich gern wüßte. Über ihn, äh, über Amburgey. Äh, er ist doch Nichtraucher und macht eine Menge Wirbel darum, oder verwechsele ich ihn da mit jemand anderem?"
    Meine Augen musterten sein ernstes Gesicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, was das für eine Rolle spielte, als ich antwortete: "Er ist strikt gegen Rauchen und nimmt häufig öffentlich Stellung dazu."
    "Dachte ich es mir doch. Ich glaube, ich habe mal in der Zeitung was darüber gelesen, im Fernsehen hab' ich ihn auch mal gehört. Er plant, das Rauchen bis zum nächsten Jahr in den Gebäuden des HHSD zu verbieten."
    "Das stimmt", antwortete ich mit wachsender Verwunderung. "Nächstes Jahr um diese Zeit wird Ihre Chefin draußen im Regen und in der Kälte stehen, um zu rauchen - wie ein schuldgeplagter Teenager." Dann sah ich ihn fragend an: "Warum?"
    Er zuckte mit den Achseln. "Bin nur neugierig." Noch ein Achselzucken. "Ich nehme an, er hat früher mal geraucht und ist dann bekehrt worden oder so."
    "Soweit ich weiß, hat er nie geraucht", überlegte ich. Mein Telefon klingelte wieder, und als ich aufsah, war Wingo verschwunden. Zumindest was das Wetter betraf, hatte Marino recht gehabt. An diesem Nachmittag fuhr ich bei klarem Himmel nach Charlottesville. Das einzige, was an den Regen am Morgen erinnerte, war der Nebel, der vom feuchten Weideland beiderseits der Straße emporstieg.
    Amburgeys Beschuldigungen nagten immer noch an mir, also beschloß ich, mich selbst zu erkundigen, worüber er mit Dr. Spiro Fortosis gesprochen hatte. Zumindest war das meine Absicht, als ich mich mit dem forensischen Psychiater verabredete. Tatsächlich war es nicht der einzige Grund. Wir kannten uns seit Beginn meiner Berufstätigkeit, und ich hatte nie vergessen, was für ein Freund er in jenen Tagen gewesen war, als ich zu nationalen forensischen Konferenzen gehen mußte und praktisch niemanden kannte. Ein Gespräch mit ihm war die bequemste Möglichkeit, mir die Last von der Seele zu reden, ohne zu einem Psychiater gehen zu müssen.
    Er stand im Korridor des trübe beleuchteten, dritten Stockwerks in dem Backsteingebäude, in dem sich seine Abteilung befand. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, er umarmte mich väterlich und hauchte einen flüchtigen Kuß auf meine Stirn. Er war Professor für Medizin und Psychiatrie an der Universität von Virginia, etwa fünfzehn Jahre älter als ich, sein Haar zeigte weiße Strähnen, und durch die rahmenlose Brille blickten freundliche Augen. Wie immer trug er einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine gestreifte Krawatte, die schon so lange aus der Mode war, daß sie bald wieder modern sein würde. Ich fand, daß er aussah wie ein Gemälde von einem "Stadtarzt" von Norman Rockwell.
    "Mein Büro wird gerade gestrichen", erklärte er, als er eine dunkle Holztür in der Mitte des Ganges öffnete. "Wenn es dich also nicht stört, wie ein Patient behandelt zu werden, dann gehen wir hier rein."
    "Im Moment fühle ich mich wie einer deiner Patienten", sagte ich, als er die Tür hinter uns schloß.
    Das geräumige Zimmer hatte die Atmosphäre eines Wohnzimmers, obwohl es irgendwie neutral eingerichtet war.
    Ich machte es mir auf einer Ledercouch bequem. An den Wänden hingen abstrakte Aquarelle, und es standen mehrere Töpfe mit Grünpflanzen herum. Es gab weder Zeitschriften oder Bücher noch ein Telefon. Die Lampen auf den Ecktischchen waren ausgeschaltet, und die weißen Rollos waren gerade so weit heruntergelassen, daß das Sonnenlicht angenehm in das Zimmer scheinen konnte.
    "Wie geht es deiner Mutter, Kay?" sagte Fortosis und zog einen beigefarbenen Sessel heran.
    "Sie lebt. Ich schätze, sie wird uns alle überleben."
    Er lächelte. "Wir denken das immer von unseren Müttern, und unglücklicherweise ist es nur selten wahr."
    "Deine Frau und Kinder?"
    "Es geht ihnen ganz gut." Seine Augen sahen mich fest an. "Du siehst sehr müde aus."
    "Ich schätze, ich bin es auch."
    Er war einen Moment lang still.
    "Du arbeitest in der medizinischen Fakultät der Universität",

Weitere Kostenlose Bücher