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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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verstehen. Es wäre die endgültige Abweisung in einer ein Leben lang dauernden Serie von Abweisungen, ein weiteres Zeichen dafür, daß sie unbequem und unerwünscht war. Sie hatte sich schon das ganze Jahr über auf diesen Besuch gefreut, und ich hatte mich auch darauf gefreut. Ich nahm noch einen Schluck Wein und wartete darauf, daß die Stille anfangen würde, meine verhedderten Nerven zu entwirren und meine Sorgen wegzublasen.
    Mein Haus lag in einer neuen Siedlung am westlichen Ende der Stadt, wo große Wohnhäuser auf bepflanzten Grundstücken standen und der Verkehr auf den Straßen fast ausschließlich aus Kombi- und Familienwagen bestand. Die Nachbarn waren ruhig, Einbrüche und Vandalismus so selten, daß ich mich nicht erinnern konnte, in letzter Zeit einen Streifenwagen gehört zu haben. Die Ruhe und Sicherheit war jeden Preis wert, eine Notwendigkeit, ein Muß für mich. Es war beruhigend für meine Seele, morgens allein zu frühstücken und zu wissen, daß sich die einzige Aggression vor meinen Fenstern zwischen einem Eichhörnchen und einem Eichelhäher abspielte, die sich um Futter stritten. Ich atmete tief ein und nahm noch einen Schluck Wein. Ich fürchtete mich davor, ins Bett zu gehen, fürchtete mich vor der Dunkelheit, hatte Angst davor, wie es sein würde, wenn ich meinem Geist erlaubte, zu ruhen und unaufmerksam zu sein. Ich konnte nicht aufhören, Lori Petersen zu sehen. Ein Damm war gebrochen, und meine Vorstellungskraft brach über mich herein und machte aus den Bildern noch schrecklichere.
    Ich sah ihn mit ihr, in diesem Schlafzimmer. Fast konnte ich sein Gesicht sehen, aber es war konturenlos, zog nur kurz an mir vorbei wie ein Blitz. Nach der ersten lähmenden Angst, die das Aufwachen durch das Gefühl kalten Stahls an ihrem Hals oder durch seine grauenerregende Stimme hervorgerufen hatte, würde sie zunächst versucht haben, mit ihm zu reden. Sie hatte alles mögliche gesagt, versucht, es ihm auszureden, während er die Kabel der Lampen durchschnitt und anfing, sie zu fesseln. Sie war Harvard-Absolventin, Chirurgin. Sie hatte versucht, ihren Kopf gegen eine Macht zu gebrauchen, die kopflos ist.
    Dann wurden die Bilder immer wilder, wie ein Film, der zu schnell läuft, als ihre Versuche sich in grenzenlosem Schrecken auflösten. Das Unaussprechliche. Ich wollte es nicht sehen. Ich konnte es nicht ertragen, mehr zu sehen. Ich mußte meine Phantasie unter Kontrolle bringen.
    Von meinem Arbeitszimmer aus konnte man die Bäume auf dem Hof sehen, die Rolläden waren gewöhnlich heruntergelassen, weil ich es immer schwierig fand, mich zu konzentrieren, wenn ich hinausschauen konnte. Ich hielt an der Tür inne und ließ meine Augen durch den Raum schweifen, während Lucy energisch auf die Tastatur des Computers auf meinem Eichenschreibtisch einhämmerte, den Rücken mir zugewandt. Ich hatte seit Wochen keine Ordnung mehr hier drinnen gemacht, und der Anblick war beschämend. Bücher standen kreuz und quer in den Regalen, mehrere Law Reporters waren auf dem Boden gestapelt, andere lagen herum. An einer Wand hingen meine Diplome und Zertifikate. Cornell, Johns Hopkins, Georgetown und andere. Ich wollte sie eigentlich in meinem Büro in der Stadt aufhängen, aber bis jetzt war ich noch nicht dazu gekommen. Auf einer Ecke des dunkelblauen Teppichs lagen Stapel von Zeitungsartikeln, die immer noch darauf warteten, gelesen und eingeordnet zu werden. Beruflicher Erfolg bedeutete, daß ich keine Zeit mehr hatte, tadellos sauber und ordentlich zu sein, und trotzdem störte mich Unordnung mehr denn je.
    "Wie kommt's, daß du mir nachspionierst?" murmelte Lucy, ohne sich umzudrehen.
    "Ich spioniere dir nicht nach." Ich lächelte ein wenig und küßte sie auf ihr feuerrotes Haar.
    "Tust du wohl." Sie tippte weiter. "Ich habe dich gesehen. Ich habe dein Spiegelbild auf dem Monitor gesehen. Du bist an der Tür gestanden und hast mich beobachtet."
    Ich legte meine Arme um sie, das Kinn auf ihren Kopf gestützt, und schaute auf den schwarzen Bildschirm voller Befehle. Es war mir noch nie in den Sinn gekommen, daß der Monitor wie ein Spiegel wirkte, und ich verstand jetzt, warum Margaret, meine Programmiererin, die Leute beim Namen nennen konnte, die an ihrem Büro vorbeigingen, obwohl sie mit dem Rücken zur Tür saß. Lucys Gesicht verschwamm auf dem Bildschirm. Ich sah hauptsächlich die Spiegelung ihrer Hornbrille. Sie begrüßte mich nor malerweise mit einer "Frosch-Klammer-Umarmung", aber heute hatte

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