Ein Fall für Kay Scarpetta
quoll unter einem feuchten Küchenhandtuch, und in einer Schüssel befand sich Mozzarella aus New York, noch in der Flüssigkeit, in der ich ihn in meinem Lieblingsfeinkostladen in der West Avenue gekauft hatte.
"Mutti nimmt immer die Fertigdosen und kippt eine Menge Mist dazu", sagte Lucy atemlos. "Oder sie kauft alles fertig im Lebensmittelgeschäft."
"Das ist ja furchtbar", antwortete ich und meinte es auch so. "Wie kann man das essen?" Ich hackte und schnitt. "Deine Großmutter hätte uns lieber verhungern lassen." Meine Schwester hatte nie gern gekocht, und ich habe nie verstanden, warum. Einige der glücklichsten Momente in unserer Kindheit waren die, wenn wir alle zusammen am Tisch saßen. Wenn es unserem Vater gutging, setzte er sich an den Tisch und schöpfte hingebungsvoll unsere Teller voll mit großen Portionen dampfender Spaghetti oder Fettucini oder - freitags - Pfannkuchen. Egal wie arm wir waren, es gab immer genug zu essen und genug Wein, und es war immer eine Riesenfreude, wenn ich von der Schule heimkam und von wundervollen Gerüchen und vielversprechenden Geräuschen aus der Küche begrüßt wurde. Es war traurig und eine Verletzung der Tradition, daß Lucy keines dieser Dinge kann te. Vermutlich betrat sie an den meisten Tagen, wenn sie von der Schule heimkam, ein stilles, gleichgültiges Haus, wo das Essen eine Mühe war, die man sich bis zur letzten Minute aufhob. Meine Schwester hätte nie Mutter werden sollen. Meine Schwester hätte nie Italienerin sein sollen.
Ich fettete meine Hände mit Öl ein und fing an, den Teig zu kneten, so fest, bis meine Armmuskeln schmerzten. "Kannst du ihn drehen, wie sie es im Fernsehen tun?" Lucy hielt in ihrer Arbeit inne und starrte mich mit großen Augen an. Ich machte es ihr vor.
"Wow!"
"Das ist nicht so schwer." Ich lächelte, als der Teig langsam über meine Fäuste glitt. "Der Trick ist, daß man die Hände fest zur Faust schließt, damit man keine Löcher hineinbohrt."
"Laß mich es versuchen."
"Du hast den Käse noch nicht fertig gerieben", sagte ich mit gespieltem Ernst.
"Bitte... "
Sie sprang von ihrem Schemel herunter und kam zu mir herüber. Ich nahm ihre Hände in meine, befeuchtete sie mit Olivenöl und faltete sie zu Fäusten. Es überraschte mich, daß ihre Hände fast die Größe von meinen hatten. Als sie ein Baby gewesen war, waren ihre Fäuste nicht größer als Walnüsse. Ich erinnerte mich daran, wie sie nach mir griff, als ich sie damals besuchte, an die Art, wie sie meinen Zeigefinger packte und lächelte, während ein seltsames und wundervoll warmes Gefühl sich in meiner Brust ausbreitete. Ich legte den Teig über Lucys Fäuste und half ihr, ihn herumzudrehen.
"Er wird immer größer", rief sie. "Der ist gelungen!"
"Der Teig dehnt sich durch die Zentrifugalkraft aus - ähnlich wie die Leute, die früher Glas gemacht haben. Du hast doch sicher einmal die alten Glasscheiben mit den eingearbeiteten Wellen gesehen?"
Sie nickte. "Das Glas wurde zu einer großen, flachen Scheibe gedreht."
Wir sahen beide auf, als in der Auffahrt Kies unter Reifen knirschte. Ein weißer Audi fuhr herein, und Lucys Stimmung ging sofort bergab. "Oh", sagte sie unglücklich, "er ist da."
Bill Boltz stieg aus dem Auto und nahm zwei Flaschen Wein vom Beifahrersitz.
"Du wirst ihn mögen." Ich legte den Teig in eine tiefe Backform. "Er möchte dich sehr gern kennenlernen, Lucy."
"Er ist dein Freund."
Ich wusch meine Hände. "Wir machen einiges zusammen, und wir arbeiten zusammen ... "
"Er ist nicht verheiratet?" Sie beobachtete ihn, wie er den Weg zur Eingangstür heraufkam.
"Seine Frau starb letztes Jahr."
"Oh." Eine Pause. "Wie?"
Ich küßte sie auf den Kopf und ging aus der Küche hinaus, um die Tür aufzumachen. Jetzt war nicht der richtige Moment, um so eine Frage zu beantworten. Ich war mir nicht sicher, wie Lucy es aufnehmen würde.
"Geht es dir besser?" fragte Bill und küßte mich flüchtig.
Ich schloß die Tür. "Wenig."
"Warte, bis du ein paar Gläser von diesem wunderbaren Zeug hier getrunken hast", sagte er und hielt die Flaschen hoch, als wären sie Trophäen von einer Jagd. "Aus meinem Privatkeller - du wirst begeistert sein."
Ich berührte seinen Arm, und er folgte mir in die Küche. Lucy rieb wieder Käse, den Rücken uns zugewandt. Sie drehte sich nicht ein mal um, als wir hereinkamen.
"Lucy?"
Sie rieb weiter.
"Lucy?" Ich führte Bill hinüber zu ihr. "Das ist Mr. Boltz, Bill, das ist meine Nichte."
Widerwillig hielt
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