Ein Fall für Kay Scarpetta
vor einer Woche gewesen, etwa drei Stunden bevor sie nach meiner Schätzung ermordet wurde. Sie hatte an jenem Abend mit einer Freundin in einem nahegelegenen mexikanischen Restaurant zu Abend gegessen und war danach direkt nach Hause gegangen. Ihre Leiche wurde am darauffolgenden Nachmittag, am Samstag, gefunden. Sie hatte sich mit ihrer Freundin zu Einkäufen verabredet. Ceciles Auto stand in der Einfahrt, und als sie nicht ans Telefon oder an die Tür ging, machte sich ihre Freundin Sorgen und versuchte, durch die leicht auseinandergezogenen Vorhänge des Schlafzimmerfensters etwas zu erkennen. Den Anblick von Ceciles nacktem, gefesseltem Körper auf dem zerwühlten Bett würde die Freundin wahrscheinlich nie vergessen können.
"Bobbi", sagte Marino. "Sie ist weiß, wissen Sie?"
"Ceciles Freundin?" Ich hatte ihren Namen vergessen.
"Ja. Bobbi. Die reiche Hexe, die Ceciles Leiche gefunden hat. Die beiden waren immer zusammen. Bobbi hat diesen roten Porsche, ist eine ziemlich scharf aussehende Blondine, arbeitet als Modell. Sie ist praktisch die ganze Zeit bei Cecile, manchmal bis zum frühen Morgen. Schätze, die beiden waren scharf aufeinander, wenn Sie meine Meinung hören wollen. Haut mich um. Ich meine, man kann es sich schwer vorstellen. Beide gutaussehend genug, daß dir die Augäpfel rausfallen. Man müßte meinen, die Männer würden ihnen die ganze Zeit am Hintern kleben ... "
"Vielleicht ist das die Antwort", sagte ich ärgerlich, "sofern Ihr Verdacht, was die Frauen betrifft, begründet ist."
Marino lächelte verschmitzt. Er ärgerte mich schon wieder.
"Nun, ich stelle mir das Ganze so vor", fuhr er fort. "Vielleicht fährt der Mörder in der Gegend herum und sieht Bobbi, die eines Abends spät in ihren roten Porsche steigt. Vielleicht denkt er, sie lebt hier. Oder vielleicht folgt er ihr eines Nachts, als sie zu Cecile fährt."
"Und er ermordet Cecile fälschlicherweise? Weil er dachte, Bobbi lebt hier?"
"Ich will nur keine Möglichkeit außer acht lassen. Wie ich schon sagte, Bobbi ist weiß. Die anderen Opfer sind weiß."
Wir saßen einen Moment lang schweigend da und starrten auf das Haus. Das Rassengemisch störte mich ebenfalls. Drei weiße Frauen und eine Schwarze. Warum?
"Noch etwas, dem ich nachgehen werde", sagte Marino. "Ich habe mich gefragt, ob der Mörder jedesmal mehrere Opfer für seine Morde zur Auswahl hatte, ob er, sagen wir, wie bei einem Menü das ausgesucht hat, was er sich leisten konnte. Es ist doch irgendwie komisch, daß jedesmal, wenn er beschließt, eine von ihnen zu töten, prompt eines ihrer Fenster unverschlossen, offen oder kaputt ist. Meiner Meinung nach ist es entweder vom Zufall bestimmt, daß er herumfährt und nach Frauen sucht, die allein zu sein scheinen oder deren Häuser nicht sicher sind, oder aber er hat Zugang zu einer größeren Anzahl von Frauen und ihren Adressen und fährt vielleicht mehrere Häuser in einer Nacht an, bevor er das findet, das seine Voraussetzungen erfüllt."
Ich war nicht seiner Meinung. "Ich glaube, daß er sich an jede dieser Frauen herangemacht hat", sagte ich, "daß sie sein ganz spezielles Ziel waren. Ich denke, er hat sich ihre Häuser vielleicht vorher angesehen, und die Frauen waren entweder nicht da, oder die Fenster waren verschlossen. Es kann sein, daß der Mörder jedesmal den Ort besichtigt, wo sein nächstes Opfer wohnt, und zuschlägt, sobald si ch eine Gelegenheit bietet."
Er zuckte mit den Achseln und spielte den Gedanken durch. "Patty Lewis wurde mehrere Wochen nach Brenda Steppe ermordet. Und Patty war außerdem in der Woche, bevor sie ermordet wurde, außerhalb der Stadt zu Besuch bei einer Freundin. Es ist also möglich, daß er es an dem Wochenende vorher versucht hat, sie aber nicht zu Hause antraf. Klar. Vielleicht war es so. Wer kann das schon sagen? Dann tötet er Cecile Tyler drei Wochen später. Aber er kam genau eine Woche später zu Lori Petersen - wer weiß? Vielleicht hatte er sofort Glück. Ein Fenster war nicht verschlossen, weil ihr Ehemann vergessen hatte, es zu schließen. Der Mörder könnte ein paar Tage, bevor er sie ermordet hat, irgendwie Kontakt mit ihr gehabt haben, und wenn ihr Fenster letztes Wochenende nicht unverschlossen gewesen wäre, wäre er dieses Wochenende wiedergekommen und hätte es noch einmal versucht"
"Das Wochenende", sagte ich. "Das scheint ihm wichtig zu sein, in den letzten Stunden des Freitags oder früh am Samstag zuzuschlagen."
Marino nickte. "O ja! Es ist
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