Ein Fall für Perry Clifton
lange
Ausführungen.
„General
Cleveland feiert im nächsten Monat sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum.
Verstehen Sie? Fünfzig Jahre im Dienst gegen Hunger, Armut und Elend...“
Mister
Smith kann nur ehrfurchtsvoll nicken. Was soll er auch sagen? Woher soll er
wissen, daß der Chef von London einen völlig anderen Namen hat? Daß er jünger
ist und daß ein Mitglied der Heilsarmee nie mit den Verdiensten eines ihrer
Mitglieder hausieren geht?
„Er
erhält aus diesem Anlaß eine goldene Ehrentafel. Wir — seine Offiziere — haben
nun gesammelt und wollen ihm einen großen Diamanten kaufen, der in die Tafel
eingelassen werden soll.“ Und dann dröhnt es Mister Smith in die Ohren: „Sie,
Mister Smith, wurden uns als ein ausgezeichneter, zuverlässiger Goldschmied
empfohlen. Würden Sie diese Arbeit übernehmen?“
„Es
wird mir eine Ehre sein, Mylady“, beteuert Smith, wird jedoch im gleichen
Atemzug streng belehrt:
„Ich
bin Hauptmann!!“ Und dann gespannt: „Haben Sie auch einen entsprechenden Stein
zur Verfügung?“
„Selbstverständlich,
Myla... Verzeihung, Frau Hauptmann... Darf ich Ihnen einige Stücke zur Auswahl
vorlegen?“
„Ich
bitte darum!“
„Und
wie teuer darf der Stein sein?“
„Vierhundert
Pfund!“
„Vierhundert
Pfund?“ wiederholt Oliver Smith, und in seiner Stimme schwingt eine gehörige
Portion Hochachtung vor dem begüterten Offizierskorps der Heilsarmee mit.
„Wenn
Sie mich bitte für einen Augenblick entschuldigen wollen; ich habe die Steine
hinten...“
Behend
eilt Oliver Smith in seine hinteren Räume. Der weibliche Hauptmann verliert
keine Zeit. Hastig beugt er sich zu seiner Tasche hinunter und zieht den nur zu
einem Viertel geöffneten Reißverschluß ganz zurück.
Die
spitze Schnauze eines neugierigen Dackels schiebt sich heraus und schnuppert interessiert
den Geruch der neuen Umgebung ein.
Blitzschnell
fährt die Frau wieder hoch.
Mister
Smith ist zurück. Vorsichtig stellt er ein mit blauem Samt ausgeschlagenes
Tablett auf den Ladentisch. „Jeder Stein kostet so um die von Ihnen gewünschten
vierhundert Pfund. Einige etwas teurer — andere dafür wieder um einiges
billiger.“
„Wunderschön“,
sagte die Frau, und Smith lächelt geschmeichelt.
Ohne
Zögern hat die Frau nach dem kostbarsten Stein gegriffen und betrachtet ihn
andächtig.
„Sie
scheinen etwas von Edelsteinen zu verstehen. Er ist der schönste — und der
teuerste“, setzt er hinzu.
„Und
wie teuer?“
„Knapp
fünfhundert Pfund.“ Smith entgeht die Erregung in der Stimme der Frau.
„Schade“,
sagt die Frau und will den Stein zurücklegen.
Das
ist der Augenblick, den Oliver Smith so schnell nicht vergessen wird.
Er
sieht, wie der kostbare Diamant einen kleinen Bogen beschreibt und
herunterfällt. Die Frau stößt einen kurzen, tiefen Laut aus und geht schnell
einen Schritt rückwärts. Während ihre Augen suchend den Boden abtasten, fühlt
sich Smith befleißigt, zu sagen:
„Keine
Sorge, der ist nicht weit gefallen...“
Und
dann geschieht das Unerwartete. Die Frau geht plötzlich mit raschen Schritten
zur Tür und öffnet sie einen Spalt. Dazu sagt sie:
„Oh,
der will sicher hinaus...“
Oliver
Smith, der den hinaushuschenden Dackel nicht gesehen hat, fragt verblüfft:
„Wer
möchte hinaus?“
„Na,
Ihr kleiner Dackel.“
„Wieso
— ich habe keinen Dackel...“ Smith scheint total durcheinander zu sein.
„So?
Na dann muß er vorhin mit mir hereingekommen sein... Aber kommen Sie, wir
wollen den Stein suchen.“ Ein vor sich hin redender weiblicher Hauptmann der
Heilsarmee und ein immer unruhiger werdender Goldschmied suchen... suchen...
suchen... und suchen...
Eine
Viertelstunde später verläßt ein tödlich beleidigter Hauptmann der Heilsarmee
den Laden des restlos verstörten Gold- und Edelsteinhändlers Oliver Smith.
Ohne
sich umzusehen, geht die Frau auf die Baptistenkirche zu. Smith sieht sie durch
das Hauptportal ins Innere verschwinden.
Vier
Minuten danach tritt aus dem rückwärtigen Ausgang der gleichen Kirche ein
alter, weißhaariger Gentleman. Sich schwer auf einen Stock stützend, geht er
auf einen französischen Personenwagen mit Londoner Nummer zu.
Fast
geräuschlos springt der Motor an, und an Oliver Smiths Schaufensterfront vorbei
schlägt er den Weg zur Innenstadt ein.
Zum
zehnten Male hat sich Dicki bei einem Straßenpassanten nach der Zeit erkundigt.
Und zum zwanzigsten Male hat ihn der Dackel an denselben Hydranten
Weitere Kostenlose Bücher