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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
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ihn. In seinem Sessel saß eine für seinen Geschmack zu aufgetakelte Frau in einem knallroten Kostüm. Die Haarfarbe jedenfalls hätte er in einem Vernehmungsprotokoll als wasserstoffblond angegeben. Sie musterte ihn über den Rand einer goldumrandeten Designer-Lesebrille.
    »Willibald, das ist meine Chefin Dorothea Süderhoff«, erklärte Marianne, noch ehe er einen Ton sagen konnte. »Ich habe dir doch schon so viel von ihr erzählt.«
    Leider, schoss es Pielkötter sofort durch den Kopf, aber er behielt diese Einschätzung natürlich für sich.
    »Nett, dass ich Sie einmal persönlich kennenlerne«, begrüßte ihn Dorothea Süderhoff, obwohl ihr falsches Lächeln etwas ganz anderes ausdrückte.
    Dennoch fühlte er sich verpflichtet, sie mit einem Handschlag zu begrüßen. Die große Freude heuchelte er jedoch nicht, auch wenn Marianne ihn mit Argusaugen beobachtete und das sicher zu gerne gesehen hätte.
    »Wir haben dir Kuchen übriggelassen«, flötete seine Frau in einer Stimmlage, die sie zum Glück nur sehr selten einsetzte. »Er steht in der Küche auf der Ablage neben der Spüle.«
    Ohne eine Erwiderung setzte Pielkötter sich in Bewegung. Das wurde ja immer schöner. Erst belegte diese Süderhoff seinen Lieblingsplatz, und nun sollte er sich auch noch mit Kuchen zufriedengeben! Hatte er nach diesem harten Arbeitstag denn kein anständiges Essen verdient? Unterschwellig hatte er bereits länger negative Gefühle gegenüber Mariannes Chefin gehegt, hatte sie sich bisher allerdings nicht eingestehen wollen. Jetzt aber begriff er, dass er damit wohl richtig gelegen hatte. Er hoffte nur, dass diese Besuche nicht zur Gewohnheit wurden.
    Während er sich an den kleinen Küchentisch quetschte und ein Stücken Kirschkuchen mit Streusel aß, steigerte sich seine Wut. Seit er das Haus betreten hatte, erlebte seine Laune einen wahren Absturz. Aufgebracht hob er die Thermoskanne hoch, die neben der Tortenplatte stand, und schüttelte sie. Offensichtlich war die Kanne leer. Nicht einmal Kaffee hatten sie ihm übriggelassen.
    Nachdem er ein zweites Stück trocken in sich hineingestopft hatte, ließ er sich widerwillig am Eingang zum Wohnzimmer blicken. »Ich verziehe mich nach oben«, erklärte er.
    »Aber Willibald«, flötete Marianne wieder in diesem seltsamen Ton. »Ich dachte, wir trinken ein Gläschen Wein zusammen.«
    »Heute nicht. Ich muss noch arbeiten.«
    »Ja, ja, der engagierte Hauptkommissar ist immer im Dienst«, bemerkte Dorothea Süderhoff mit einem Lächeln auf den Lippen, für das Pielkötter bereit wäre, jede Form von guter Erziehung abzulegen. Nein, so weit würde er wohl nicht gehen.
    »Also, einen schönen Abend noch«, riss er sich zusammen und schloss die Tür hinter sich.

    Er konnte nicht sagen, wie lange er tatsächlich über dem neuen Fall gebrütet hatte, als seine Frau plötzlich ins Zimmer rauschte. »Nanu, hat deine Chefin uns schon verlassen?«, fragte er. »Ich habe gar nichts davon mitbekommen.«
    Nach Mariannes Miene zu urteilen stand sie kurz vor einem Wutausbruch. »Wie kannst du mich vor Dorothea so blamieren?«, zischte sie. »Weißt du überhaupt nicht mehr, was sich gehört?«
    Dorothea also, fuhr es wie ein Blitz durch Pielkötters Kopf. Jetzt duzen sie sich schon. Wenn das so weiterging, stand die Frau bald jede Woche hier auf der Matte.
    »Nun mach mal einen Punkt«, erwiderte er, wobei er versuchte, möglichst ruhig zu bleiben. »Ist deine Süderhoff einfach verschwunden, ohne sich von mir zu verabschieden, oder war das umgekehrt?«
    »Nachdem du ihr dermaßen die kalte Schulter gezeigt hast, war das wohl die angemessene Reaktion.«
    »Du hättest mich ja auch auf ihren Besuch vorbereiten können«, entgegnete Pielkötter nun mit deutlichem Ärger. »Denkst du einmal über meine Situation nach? Den ganzen Tag arbeite ich fast ohne Pause. Und dann die Sorge um meinen Vater. Da habe ich an meinem wohlverdienten Feierabend nicht die geringste Lust auf Konversation mit einer fremden Frau.«
    »Welche Chance habe ich denn gehabt, dir den Besuch mitzuteilen? Ich habe das an dem Abend erzählt, als Jan Hendrik und Sebastian bei uns gewesen sind, aber da musstest du ja ganz schnell weg. Seitdem haben wir uns praktisch nicht mehr gesehen. Sogar von deinem Vater hast du mir nur am Telefon erzählt.«
    Pielkötter schnaufte. Damit hatte sie zweifellos Recht. Am meisten aber ärgerte ihn sowieso diese feine Ironie in ihrer Stimme, die er nie hatte ausstehen können. Zudem passte das

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