Ein Fall zu viel
verspielt. Niemand würde ihr zu Hilfe kommen, im Vorbeifahren die drohende Gefahr bemerken. Noch wenige Meter trennten sie vom Straßenrand. Während ein Wagen heranbrauste, drehte sie sich kurz nach hinten.
Angstschweiß stand auf ihrer Stirn, Adrenalin jagte durch ihren Körper. Der Abstand zu ihrem Verfolger war bedrohlich zusammengeschrumpft. In wilder Panik stürzte sie weiter. Aus Richtung Mülheim strömte eine ganze Kolonne von Autos heran. Gegenverkehr gab es im Moment nicht. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Sie konnte nicht warten, ihr Verfolger würde sie töten. Sofern sie jedoch einen Spurt hinlegte, war das ihre Chance. Mit dem Mut der Verzweifelten rannte sie los. Lautes Hupen durchbrach das Rauschen in ihren Ohren. Die erste Fahrbahn hatte sie bereits geschafft. Bremsen quietschten. Plötzlich hörte sie einen Knall. Als sie durch die Luft geschleudert wurde, war sie bewusstlos, beim Aufprall auf den Asphalt starb sie.
19. Kapitel
Unruhig wanderten Pielkötters Augen durch den gut gefüllten Saal. Anscheinend war die Prävention von Einbruchsfällen das Top-Thema für die Duisburger Bürgerinnen und Bürger. Nur leider nicht sein eigenes. Pielkötter seufzte. Warum hatte der Leiter vom Einbruchsdezernat das nur angeleiert? Engagement in höchsten Ehren, aber was zu viel war, war einfach zu viel. Die Quittung hatte der Mann schon dafür bekommen. Er würde monatelang wegen Burnouts ausfallen. Schlimm genug, aber warum hatte sein Chef die ganze Geschichte nicht einfach abgeblasen. Und dann hatte er ausgerechnet ihm den Vortrag aufs Auge gedrückt. Das war mehr als ärgerlich.
»Erstellen Sie eine schöne Powerpoint-Präsentation mit hübschen Bildchen. Das kommt immer gut an«, hatte sein Chef ihm geraten. »Und vergessen Sie die anschließende Diskussionsrunde nicht.«
Pah, dachte Pielkötter, wenn er so genau wusste, was bei den Leuten ankam, warum stellte er sich jetzt nicht selbst hier vorne hin? Ohne Barnowskis Hilfe wäre er ziemlich aufgeschmissen gewesen, da machte er sich nichts vor. Dabei hatte er zuvor nicht einmal eine Ahnung davon gehabt, dass sein Mitarbeiter etwas von Powerpoint verstand.
Unruhig blickte Pielkötter auf seine Armbanduhr. Bis zum Beginn blieben ihm genau fünf Minuten, und der Saal füllte sich weiter. Zumindest in einer Hinsicht schien sein Vorgesetzter Recht zu behalten: Offensichtlich hatten die Leute geradezu auf ein solches Angebot der Polizei gewartet.
Nach dem offiziellen Beginn ließ er genau zwei Minuten verstreichen, dann trat er widerwillig ans Mikrofon. »Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Willibald Pielkötter. Ich bin Hauptkommissar bei der Duisburger Kriminalpolizei und ich begrüße Sie zum heutigen Vortrag mit dem Thema Prävention von Einbruchsfällen .«
Seine Stimme kam ihm fremd vor, aber vielleicht lag das auch nur an dem Mikrofon. Jetzt musste er noch circa zwanzig von Barnowskis Folien vorstellen, dann war ihm eine kleine Verschnaufpause gegönnt.
»Ich zeige Ihnen nun einen kurzen Film«, erklärte Pielkötter, nachdem er den umfangreichen ersten Programmpunkt abgearbeitet hatte. »Der führt noch einmal vor, wie schnell ein ungesichertes Fenster von einem Profi aufgehebelt werden kann. Im Anschluss daran …«, er stockte. In einer der hinteren Reihen hatte er ein Paar meergrüner Augen entdeckt. »Also, hinterher …«, versuchte er es erneut. Katharina Gerhardt, schoss es durch seinen Kopf. Die faszinierende Frau, die er bei einem seiner letzten Fälle kennengelernt hatte. Katharina Gerhardt, die seiner Jugendliebe sehr ähnlich sah. »Also, ich meine, im Anschluss können wir über den Film diskutieren.«
Eigentlich hatte er zuerst noch einige Einbruchswerkzeuge zeigen wollten, aber das hatte er vergessen. Sein Herz schlug bis zum Hals, und er hatte Mühe, seine Gedanken zu koordinieren. Nur gut, dass die Leute sich nun auf den Film konzentrierten und nicht auf seine Person. Während die Teilnehmer auf die Leinwand schauten, stellte er sich an die Seite. Verstohlen schielte er noch einmal in die Richtung, in der er Katharina Gerhardt entdeckt hatte. War sie es wirklich? Weil der Raum abgedunkelt war, konnte er nicht viel von ihr erkennen. Aber irgendwie, vielleicht intuitiv, war er sicher, dass er sich nicht getäuscht hatte.
Wie kam sie hierher? Super Frage, Herr Kommissar, dachte er. Die Polizei hatte schließlich jeden an dem Thema interessierten Bürger eingeladen. Soweit er sich erinnerte, hatte die Einladung in
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