Ein Fall zu viel
verlieren. Schlimmer, sie hatte ihn angelogen.
»Papa, bist du noch dran? Ich hoffe, ich habe jetzt nichts Falsches gesagt.«
»Nein, ich bin nur furchtbar müde nach diesem anstrengenden Tag.«
»Okay, machen wir Schluss. Ich melde mich wieder.«
Als Pielkötter aufgelegt hatte, starrte er lange auf das Telefon, dann stand er auf, lief zum Schrank und holte eine neue Flasche Wodka heraus. Selbst nachdem er sich eine gut bemessene Ration genehmigt hatte, war seine Stimmung nicht besser. Er fühlte sich, als hätte er, vielleicht auch Marianne, eine Linie überschritten. Eine Linie, die den Pool existenzieller Gemeinsamkeiten markierte, ohne die eine Ehe kaum funktionieren konnte. Plötzlich überkam ihn eine ungeheure Scheu, alle einstürmenden Gedanken zu Ende zu denken.
20. Kapitel
»Oh!«, entfuhr es Bernhard Barnowski, als er frisch geduscht aus dem Badezimmer kam. Er hatte wegen seines Bereitschaftsdienstes lange auf dem Präsidium verbracht und fühlte sich nun erfrischt. Auf dem Sofatisch hatte er eine Flasche Sekt und zwei Gläser erblickt. Fast hätte er gefragt »Eröffnest du etwa noch einen Friseursalon?«, aber zum Glück kam das nicht über seine Lippen. Es war besser, sie nicht an seine unrühmliche Rolle bei der Einweihung zu erinnern.
»Dreimal darfst du raten, was es zu feiern gibt«, erklärte Gaby mit einem ganz speziellen Lächeln. »Nur schade, dass ich heute erst so spät nach Hause gekommen bin.«
Wenn ihn sein kriminalistischer Instinkt nicht trog, hatte seine Freundin etwas sehr Privates im Blick. Auf jeden Fall ging es um ihre Beziehung. Hoffentlich will sie jetzt nicht heiraten, schoss es Barnowski durch den Kopf, was in ihm automatisch einige Alarmglocken zum Klingeln brachte. Nichts gegen eine ausgelassene Feier, aber für den Ehestand fühlte er sich noch nicht reif, auch wenn er schon fast fünf Jahre mit Gaby zusammenlebte. Ginge es nach ihm, würden sie erst einmal ein paar Jährchen mächtig für die Hochzeitsnacht üben.
»Na, hat mein kleiner Kommissar denn nicht die geringste Vermutung?«, fragte Gaby mit einem leicht spöttischen Blick.
Das komische Gefühl zwischen Zwerchfell und Magengrube verstärkte sich, dann jedoch huschte ein befreiendes Lächeln über Barnowskis Gesicht. »Kennenlerntag!«, erwiderte er mit einem gewissen Triumph in der Stimme. Zwei Sekunden später jedoch verdüsterte sich seine Miene erneut. Das war es nicht, er sah es ihrem Gesicht an. Irgendetwas Besonderes an diesem Tag. Aber was?
»Jetzt guck nicht so skeptisch. Komm einfach ein bisschen näher und trink ein Glas Sekt mit mir.«
»Ein Schlückchen ist okay«, erklärte er. »Aber du weißt, dass ich heute Bereitschaft habe.«
»Mit etwas Glück brauchst du nicht raus. Auf jeden Fall sollten wir den Abend so lange wie möglich genießen.«
Als hätte irgendjemand nur auf dieses Stichwort gewartet, klingelte Barnowskis Diensthandy.
»Scheiße«, kommentierte er den Anruf, nachdem er die Verbindung unterbrochen hatte. Schon wieder ein Unfall, dabei hatten sie noch nicht einmal den Fall Erwin Lützow zu den Akten gelegt. Für einen kurzen Augenblick zog er in Erwägung, Pielkötter anzurufen, auch wenn der keine Bereitschaft hatte. Der würde sicher nichts dagegen haben, aber dann fiel ihm ein, dass sein Chef heute den Vortrag halten musste.
»Ich muss los«, erklärte Barnowski der sichtlich enttäuschten Gaby. »Eine Tote auf der Mülheimer Straße. Tut mir wirklich leid, aber ich glaube, es wird sehr spät.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er überstürzt die gemeinsame Wohnung.
Kaum eine Viertelstunde, nachdem er den Motor seines Wagens gestartet hatte, erreichte er die abgesperrte Unfallstelle und erspähte die ersten Kollegen von der Streife. Olschewski war offensichtlich mit von der Partie. Barnowski wendete in unerlaubter Weise und hielt mit quietschenden Reifen wenige Meter hinter der Absperrung.
»Schade«, bemerkte Olschewski, nachdem er ausgestiegen war. »Da ist nichts mehr zu machen. Dabei ist die Frau noch relativ jung.«
Als Barnowski einen Blick auf das Unfallopfer warf, gab er dem Polizisten von der Streife Recht. Die Tote war allenfalls Anfang vierzig und wohl sehr attraktiv gewesen. Seltsamerweise hatte ihr Gesicht nicht einen Kratzer abbekommen.
»Tiefenbach ist schon unterwegs«, bemerkte Olschewski. »Aber eigentlich kann der auch nicht mehr als ihren Tod feststellen. Übrigens sieht alles wie ein selbstverschuldeter Unfall aus. Nach der Bremsspur zu
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