Ein Fall zu viel
Barnowski leise. Altenkämpers Krawatte passte einwandfrei zu Anzugstoff und Oberhemd. Blieb nur die Frage, wen er hier damit beeindrucken wollte.
»Sie möchten mich unbedingt sprechen«, stellte er ärgerlich fest. »Ich hoffe, Sie haben einen triftigen Grund für die Eile. Deshalb habe ich extra einen wichtigen geschäftlichen Termin verschieben müssen. Und bitte fassen Sie sich kurz. Den nächsten Termin werde ich nämlich unter keinen Umständen canceln.«
»Leider haben wir Hinweise, die ein ganz neues Licht auf den angeblichen Unfall Ihrer Frau werfen«, erwiderte Barnowski mit einem Lächeln, das man ohne Wohlwollen als äußerst penetrant bezeichnen konnte. Dabei hatte er das Wort »angeblich« besonders betont.
»Was für Hinweise?«, fragte Altenkämper irritiert. »Und worauf? Darauf, dass ich diesen Unfall nicht verursacht habe? Nicht einmal anwesend war?«
»Jetzt setzen Sie sich doch erst mal«, schaltete sich Pielkötter ein. Die Lautstärke bei dieser Vernehmung war eindeutig nichts für seinen Kopf. Die Schmerzen hatten immer noch nicht nachgelassen, wurden durch dieses Gebrülle höchstens verstärkt. »Der Tod Ihrer Frau sieht inzwischen nicht unbedingt nach einem zufälligen Unfall aus.«
»Wie darf ich das verstehen?«, fragte Altenkämper, nachdem er auf dem freien Stuhl neben Barnowski Platz genommen hatte.
»Ihre Frau wurde zuvor bedroht«, erwiderte dieser. »Womöglich ist sie einem Verfolger davongerannt und hat in ihrer Panik das Auto übersehen, das sie dann erfasst hat.«
»Und wie kommen Sie darauf? Das ist doch alles an den Haaren herbeigezogen!«
»Eben nicht«, bemerkte Pielkötter mit ruhiger Stimme. »Zumindest dafür, dass Ihre Frau sich verfolgt gefühlt hat, haben wir Beweise. Alles andere ist natürlich Spekulation. Allerdings eine äußerst logische.«
»Was für Beweise?« Lukas Altenkämper trommelte mit einem Mal mit seinen langen Fingern auf dem Schreibtisch herum.
Pielkötter glaubte, die Erschütterungen direkt in seinem Kopf zu spüren. »Bitte unterlassen Sie das!«, forderte er Altenkämper auf. »Sie befinden sich schließlich nicht in Ihrem Wohnzimmer.«
»Da soll man nicht nervös werden, wenn Sie derart abstruse Behauptungen aufstellen.«
Mit einer gewissen Genugtuung öffnete Pielkötter die Schublade seines Schreibtisches, holte eine Plastikhülle mit einem Zettel heraus und reichte sie ihm. Während Altenkämper stumm auf den Zettel starrte, grinste sein Mitarbeiter fast unverschämt.
»Wo haben Sie das her?«, fragte Altenkämper mit hochrotem Gesicht. »Das wollen Sie mir einfach unterjubeln. Sie müssen einen Blödmann finden, der den Kopf hinhält. Aber nicht mit mir. Ich will sofort mit meinem Anwalt sprechen.«
»Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal«, entgegnete Pielkötter mit einfühlsam klingender Stimme. Zum Glück hatten seine Kopfschmerzen inzwischen etwas nachgelassen. »Sie stehen hier ja nicht als Angeklagter vor Gericht, sondern werden von uns lediglich zu einem Sachverhalt befragt. Zudem haben wir den Zettel im Briefkasten Ihrer Exfrau gefunden. Ein graphologischer Gutachter hat die Handschrift eindeutig als die Ihrer Gattin identifiziert. Vielleicht können Sie sich das irgendwie erklären.«
Barnowski sandte einen enttäuschten Blick in seine Richtung. Wahrscheinlich hätte er Lukas Altenkämper zu gerne auseinandergenommen und fühlte sich ausgebremst. Im Gegensatz zu seinem Mitarbeiter hatte Pielkötter den Eindruck, dass die Empörung des Mannes echt war. Okay, er besaß ein Motiv und ein großes Mundwerk dazu. Sympathieträger war er sicher nicht, aber ein Mörder? Für einen Mord fand Pielkötter diesen Unfall zu konstruiert. Woher hätte der Verfolger wissen sollen, dass Christiane Altenkämper ins nächste Auto rennt? Oder hatte dieser arme Autofahrer ihm einfach die Arbeit abgenommen? Er mochte nicht recht an diese Verkettung glauben.
»Können Sie sich vorstellen, warum Ihre Frau den Zettel angefertigt hat?« Unwillkürlich kratzte Pielkötter an seinem Kinn herum. Die Bartstoppeln waren deutlich zu spüren, er hatte heute Morgen vergessen, sich zu rasieren. »Also, weshalb hat sie den Hilferuf Ihrer Meinung nach geschrieben?«, wiederholte er. »Oder anders ausgedrückt: Vor wem hat sie sich gefürchtet?«
»Vor mir jedenfalls nicht«, entgegnete Altenkämper in patzigem Ton. »Ansonsten weiß ich nichts von ihrer Angst. Mir gegenüber ist sie immer recht resolut aufgetreten.«
»Sie haben nichts
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