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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
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die Gründe darzulegen, weshalb es so weit kommen konnte.«
    »Du meinst doch wohl eher Entschuldigungen. Aber genau die gibt es nicht. Erst recht nicht, nachdem wir uns gerade ausgesprochen und …« Plötzlich rannen Tränen über ihre Wangen. Bitte nicht jetzt, dachte Pielkötter. Er wollte reden, argumentieren, alles versuchen, um die Situation nicht vollständig auf die emotionale Ebene zu ziehen. Warum waren sie nur so verschieden?
    »Und wie soll es nun weitergehen?«, fragte sie, während sich erneut einige Tränen aus ihren Augenwinkeln lösten.
    »Darüber habe ich noch nicht so richtig nachgedacht.«
    »Beabsichtigst du, diese Katharina erneut zu treffen? Ich nehme jedenfalls an, dass du mich mit dieser Frau betrogen hast.«
    »Ja, sie ist bei meinem Vortrag gewesen.«
    »Und du bist direkt in ihre Falle getappt«, schrie Marianne unerwartet heftig los. Den unbeherrschten Tonfall kannte er an ihr bisher nicht. »Hast du nicht gemerkt, was für ein raffiniertes Biest diese Frau ist?« Ihre Stimme kippte erneut. »Wahrscheinlich hat sie dir sogar weisgemacht, sie sei an dem Thema Einbruch interessiert. Pah. Anschließend hat sie vom Hauptkommissar höchstpersönlich das Fenster in ihrem Schlafzimmer überprüfen lassen.« Abrupt brach die Tirade ab, und ein Schwall Tränen strömte über ihr Gesicht.
    Pielkötter wusste nicht recht, ob er sie wegen der verdrehten Tatsachen verurteilen oder Mitleid mit ihr haben sollte. Am besten hielt er sich zurück und wartete, bis sie sich wieder etwas gefangen hatte. Schweigend starrte er aus dem Fenster, obwohl die Dunkelheit bereits hereingebrochen war, und er draußen nichts erkennen konnte.
    Marianne schluchzte mittlerweile leise vor sich hin, und er hätte viel darum gegeben, jetzt an einem anderen Ort zu sein. Selbst den Geruch im Rechtsmedizinischen Institut hätte er in Kauf genommen, Tiefenbach gerne beim Obduzieren assistiert, nur fort von hier, weg von dieser Situation, mit der er nicht umgehen konnte. Für einen kurzen Moment geriet er in Versuchung, Marianne den Arm um die Schulter zu legen, um sie zu beruhigen. Er kannte sie jedoch gut genug, um zu wissen, dass die Berührung ihre Erregung höchstens steigern würde.
    »Du bist mir noch eine Antwort schuldig«, bemerkte sie plötzlich, nachdem er eine gefühlte Ewigkeit auf eine wie auch immer geartete Reaktion seiner Frau gewartet hatte.
    »Was für eine Antwort?«, fragte er irritiert.
    »Ich habe dich vorhin gefragt, wie es mit unserer Ehe weitergehen soll.«
    Pielkötter überlegte, ob er nicht doch schon etwas dazu gesagt hatte, aber so genau konnte er sich daran nicht erinnern. »Auf jeden Fall sollten wir nichts überstürzen und in Ruhe darüber nachdenken«, erklärte er.
    »Wie lange?« Sie verzog den Mund, als hätte sie in einen unreifen Apfel gebissen. »Benötigst du Tage, Monate oder gar Jahre?«
    Am liebsten hätte er die Frage vorerst unbeantwortet gelassen, aber das war für seine Frau offensichtlich völlig inakzeptabel.
    »Vielleicht vier Wochen«, rang er sich schließlich eine Entscheidung ab.
    Marianne stieß einen seltsamen Laut aus, der zweifellos ihr Missfallen ausdrücken sollte. »Einen ganzen Monat willst du mich also zappeln lassen? Mir zumuten, dass du zwischen heimischem Herd und Katharinas Matratze hin und her pendelst? Nein, mein Lieber, ohne mich.«
    »Ich finde, wir sollten uns wirklich eine Chance geben«, entgegnete Pielkötter, wobei er sich bemühte, möglichst sachlich zu klingen. »Dazu braucht man einen klaren Kopf, keine Entscheidung aus einem Streit heraus. Deshalb ist schon eine gewisse Bedenkzeit angesagt. Aber natürlich kannst du gerne einen anderen Vorschlag machen.«
    Aufgebracht starrte Marianne ihn an. »Zwei Wochen und keinen Tag länger«, erklärte sie, wobei sie anscheinend so viel Wut wie möglich in ihre Stimme legte.
    »Einverstanden«, erwiderte er müde. »Und jetzt lass uns schlafen gehen. Es bringt heute nichts mehr, wenn wir weiterdiskutieren. Ich muss morgen früh raus.«
    »Ich übernachte in Jan Hendriks Bett«, verkündete sie, immer noch mit einer gehörigen Portion Angriffslust in ihren funkelnden Augen. Abrupt stand sie auf und ließ ihn allein im Zimmer zurück. Pielkötter sah ihr seufzend hinterher, dann fiel sein Blick auf die Uhr. Sechs Stunden Schlaf blieben ihm, dabei war an Ruhe nicht zu denken, obwohl er sich genau das soeben von Marianne erbeten hatte. Da half nur ein Gläschen Wodka oder besser, gleich eine doppelte Ration.

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