Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
Vom Netzwerk:
keine Ahnung, was ein Höhepunkt ist. Ich wüsste gar nicht, was ich tun müsste, um mir selbst ein solches Gefühl zu verschaffen. Weder weiß ich, wie sich das Ziel anfühlt, noch kenne ich den Weg dorthin. Vielleicht bin ich ja frigide?«
    »Im Leben nicht, Christine. Ganz sicher bist du genau DAS nicht. Aber erzähl doch mal! Wie kommt denn das?«
    Es wurde eine lange Nacht. Ich erzählte und erzählte, ich weinte und krempelte mein Innerstes nach außen.
    Als ich Gerd praktisch alles vor die Füße geworfen hatte, seufzte er tief. »Es ist schrecklich, was dir passiert ist. Aber es ist geschehen, und niemand kann es ungeschehen machen. Du hast vorhin etwas sehr Wichtiges gesagt: Ich habe nur dieses eine Leben. Dann fang an, Christine, und hole nach, was andere dir geraubt haben. Beschäftige dich mit deinem Körper. Lies Bücher. Nimm dir einen Taschenspiegel zu Hilfe, und erforsche dich selbst. Du musst ganz von vorne anfangen und dir diese Zeit nehmen, täglich.«
    Als ich nach Hause fuhr, fühlte ich mich unglaublich befreit. Gerd hatte nicht gelacht. Gerd hatte mich ernst genommen, und offensichtlich schien ich in seiner Achtung nicht gesunken zu sein. Gerd erinnerte mich an meine verstorbene Großmutter. Er hatte dieselbe gütige Art wie sie, und er mochte mich, so wie ich war. Es hatte gutgetan, die Maskerade abzuwerfen und alle Ängste aussprechen zu dürfen.
    Ich kaufte mir ein Buch. Es hieß Joy of Sex, und darin beschrieb die Autorin, dass es immens wichtig sei, Selbstbefriedigung zu lernen. Ja wirklich. Sie schrieb »lernen«. Gleichzeitig wurde in dem Buch immer wieder betont, dass die allerwenigsten Frauen tatsächlich frigide seien. Ich beschloss, nicht zu diesen null Komma zwei Prozent zu gehören.
    Das Buch war wie eine Gebrauchsanleitung, und jeden Tag lag ich mit dem Buch neben mir im Bett und betrachtete mich mit dem kleinen Taschenspiegel. Es gab unzählige Momente, in denen ich nur dachte: Oh mein Gott! Wie bescheuert muss man sein? Ich liege hier und fummel an mir selbst herum, und es bringt noch nicht einmal etwas.
    Im Buch stand jedoch auch, dass man bloß nicht aufgeben solle, und wenn man so und so manipulieren würde, dann führe das irgendwann tatsächlich zum Erfolg. Ergo machte ich stur weiter. Jetzt ging es mir ums Prinzip, und ich wollte verdammt noch mal wissen, ob ich es schaffen würde, meinen Körper zum Höhepunkt zu bringen. Meine Fantasie war mir wenig hilfreich dabei. Ich besaß keine sexuelle Fantasie und wusste auch nicht, dass diese helfen kann, abzuschalten. In meinem Kopf hatten Jürgen und meine Mutter Platz genommen, und manchmal war mir, als würden beide voller Ekel und Abscheu auf mich niederblicken. Ein Gefühl, das ich nur schwerlich verlieren sollte. Das Einzige, was ich tun konnte, war, dieses Gefühl und diese hemmenden Gedanken immer schneller beiseitezuschieben. Nach über zwei Wochen täglichen »Trainings«, ich wollte schon fast aufgeben, überwältigte mich das einzigartige Erleben eines Orgasmus. Ich war mir sicher, dass es nur DAS gewesen sein konnte. Ich rief Gerd an.
    »Gerd!«, rief ich in den Hörer, »Gerd! Ich habʼs geschafft!«
    »Das ist prima«, freute sich Gerd am anderen Ende der Leitung. »Jetzt musst du weiterüben und zusehen, dass du immer schneller und mit immer weniger Aufwand zu diesem Punkt kommst. Du musst dir eine gewisse Virtuosität aneignen und quasi ein Meister dieses Fachs werden. Verstehst du, wie ich das meine?«
    Ich hatte nur zu gut verstanden. Gerd sprach mir aus der Seele. Wenn ich es schaffte, meinen Körper zu manipulieren, dann würde ich eines Tages vielleicht auch dazu in der Lage sein, einem Mann zu erklären, wie ich funktionierte? Und vielleicht würde ich eines Tages auch einen Mann kennen lernen, mit dem ich gemeinsam Lust verspüren konnte?
    Ich übte täglich weiter, und es war bald wie eine Sucht. Es gab Tage, an denen freute ich mich darauf, Zeit für mich selbst erübrigen zu können, und ich begann, meinen Kopf mit Fantasien zu füllen. Innerlich sperrte ich Jürgen und meine Mutter in einen Raum ohne Fenster, fesselte und knebelte sie und holte mir statt ihrer tolle Schauspieler oder andere gutaussehende Männer ins Bett der Fantasien.
    Als ich meinen neunundzwanzigsten Geburtstag feierte, dankte ich Gerd für seine Unterstützung.
    »Weißt du eigentlich, Gerd, dass ich panische Angst davor hatte, im nächsten Jahr dreißig Jahre alt zu werden und noch immer keine Ahnung von meiner Sexualität zu

Weitere Kostenlose Bücher