Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
Vom Netzwerk:
bitten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus dieser Nummer wieder rauskommen sollte.
     
    Der einunddreißigste Oktober stand vor der Tür. Mein dreißigster Geburtstag. Es war ein ganz normaler Wochentag, der um sechs Uhr begann. Um achtzehn Uhr saß ich in meiner Wohnung am Schreibtisch und lernte, als es plötzlich an der Tür klingelte. Kann nur Silke sein, dachte ich bei mir und drückte auf den Türöffner.
    Im nächsten Moment stand Jürgen grinsend vor meiner Tür. »Ich kann dich doch nicht an deinem Geburtstag allein lassen!« Er strahlte.
    Völlig perplex starrte ich ihn an. Ein verdammt ungutes Gefühl überkam mich.
    »Willst du mich denn gar nicht hereinlassen?«
    »Doch, doch, komm rein«, stammelte ich.
    Jürgen marschierte schnurstracks in die Küche, zog seine Lederjacke aus und hängte sie wie selbstverständlich über den Stuhl.
    »Echt schön geworden, deine Wohnung. So schön hast du in Hannover nicht gewohnt, stimmtʼs?«
    Jürgen schlenderte durch die Wohnung und öffnete wieder grinsend die Tür zum Schlafzimmer.
    Eine bittere Kälte drang aus dem Raum.
    »Ich verstehe gar nicht, dass du mein Angebot nicht angenommen hast, das schöne Bett von unten aus dem Gästezimmer zu nehmen. Was findest du bloß an diesem niedrigen Futon-Bett?« Er schüttelte verständnislos den Kopf.
    Warum war dieser Kerl hier? Was sollte das alles?
    Die rote Warnleuchte im Hirn sprang an, ganze Armeen von kleinen Adrenalin-Männchen mit Helmen und Schutzschildern rasten durch die Gänge der Blutbahnen, die Seilwinden wurden von den kleinen Hilfsarbeiter-Männchen angekurbelt und stellten die Nackenhaare hoch, das Herz pochte lauter und schneller, und unten im Bauch drückten gerade die Sklaven-Männchen verzweifelt das schwere hölzerne Burgtor zum Magen zu. Sie schwitzten unter der Last, denn der Speisebrei drückte mit Vehemenz dagegen, und die kleinen Kerle drohten umzufallen. Ich atmete durch und stellte fest, dass selbst das nicht mehr funktionierte. Ein riesiger Drache mit ungeheuer großen Flügeln setzte sich gerade auf die Lungenflügel. Wieder rannte eine bewaffnete Adrenalin-Truppe mit erhobenen Speeren in Richtung Lungenportal. Der Weg schien unendlich ...
    »Bitte sei so gut und mach mir einen Kaffee, ja? Ich bin ziemlich müde. Hatte einen langen Tag.«
    Kaffeemachen hieß, Jürgen den Rücken zudrehen zu müssen. Du spinnst!, herrschte mich eine innere Stimme an. Er will doch nur einen Kaffee!
    »Er will mehr!«, kreischte eine piepsige hysterische Stimme aus dem Kellerverlies des Gehirns. Ein entsetzlich dünnes und ausgemergeltes Kind mit wirren schwarzen Haaren rüttelte an den Gitterstäben. In einem dunklen, feuchten und modrig muffigen Loch fristete es sein Dasein. Barfuß, nur ein Hemdchen am Leib und mit spindeldürren Ärmchen umfasste es die Stäbe. Ein wirrer Blick. Ein panischer Blick. Das Kind hatte kaum noch Kraft. Dann öffnete sich sein Mund. »Er will, dass du bezahlst! Er will, dass du bezahlst! Er will, dass du beza... « Die Wärter schossen auf das erbärmliche Kind zu und packten die Kleine rüde am Hals. Und schon hatten sie der kleinen piepsigen Stimme die Luft abgedrückt.
    Mach einfach den Kaffee, und dann raus mit ihm!, schoss es mir durch den Kopf. Ich drehte mich um. Ließ Wasser in die Kanne laufen, schüttete vorsichtig das Wasser in die Kaffeemaschine, nahm einen Kaffeefilter, knickte die Kanten sorgfältig ein, öffnete die Dose mit dem Kaffeepulver und nahm den Löffel in die Hand.
    Jürgens Atem war in meinem Nacken zu spüren. Seine Hände legten sich auf meine Hüften. Der Löffel blieb im Kaffeepulver stecken. Der Drachen umschloss mit seinen gigantischen Flügeln die Lungen. Jürgens schweres Atmen dröhnte in meinen Ohren.
    »Weißt du, dass du noch dasselbe knabenhafte Becken hast, wie vor fünfzehn Jahren?«, flüsterte Jürgen in mein Ohr.
    Ich rührte im Kaffeepulver herum. Keine Adrenalin-Männchen mehr, keine Sklaven, keine Hilfsarbeiter. Nur der Drache. »Du willst es doch auch. Du hast mich vermisst, das habe ich gleich gespürt, schon als ich in Hannover war, habe ich es gespürt, stimmtʼs?« Jürgens Griff an dem Becken des Mädchens wurde fester. »Komm«, ertönte seine Stimme, »gehen wir ins Schlafzimmer.«
    Das Mädchen mit dem knabenhaften Becken ließ brav den Löffel in das Kaffeepulver fallen. Der Mann, den sie so lieb hatte, schob sie mit bestimmtem Griff in das Schlafzimmer und legte sie sich auf dem Leopardenbett zurecht. Leopardenbett? Wo

Weitere Kostenlose Bücher