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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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Mensch ahnte, was sich hinter den Kulissen meines Lebens abspielte. Meine Mutter rief jeden Abend an und jammerte mir die Ohren voll, wie schrecklich ihr Leben mit Jürgen Karnasch sei. Die Seiten hatten sich verkehrt. Ich, die Tochter, gab ihr, der Mutter, Ratschläge und versuchte, so gut es ging, zuzuhören. Meine schwachen Einwände, dass ihre Telefonate, die mindestens eine Stunde dauerten, meinem Lernen nicht dienlich seien, überhörte sie einfach. In wenigen Wochen erfuhr ich eine Menge aus den vergangenen Jahren.
    »Er macht mich fertig, Christine! Das ist wie eine Gehirnwäsche. Du weißt doch, dass ich mich niemals für Autos begeistern konnte. Im letzten Winter waren wir dann bei Toyota, weil ich neue Winterreifen brauchte.«
    Ich zog an meiner Zigarette, schob die Unterlagen beiseite und hörte zu. Es würde mal wieder ein langes Telefonat werden.
    »Jedenfalls sehe ich da im Ausstellungsraum einen blauen Geländewagen. NIEDLICH. Das schnuckeligste Auto, das ich je gesehen habe.«
    »Ein RAV, Mutter«, bemerkte ich knapp.
    »Ich habe Jürgen von diesem Auto vorgeschwärmt, und er war ganz überrascht, dass ich mich derartig dafür begeistern konnte. Und jetzt pass auf: Anfang des Jahres dann, ich schaue aus dem Küchenfenster, da kommt Jürgen plötzlich mit genau diesem blauen RAV vorgefahren, steigt aus dem Wagen und begrüßt mich mit den Worten: ›Na, Gundis? Schon gesehen, was ich da Feines habe?‹ Jetzt sag doch mal ehrlich, Christine! Was hättest DU an meiner Stelle gedacht?«
    Ich drückte die Zigarette aus. »Ich an deiner Stelle hätte mich schon über mein neues Auto gefreut und nach den Schlüsseln gefragt«, antwortete ich müde.
    »GENAU!«, rief meine Mutter hysterisch am anderen Ende. »Ich habe Jürgen auch gefragt, ob wir nicht mal eine Runde fahren können, und weißt du, was er geantwortet hat?«
    »Nööö.«
    »Er hat mir eine Riesenszene hingelegt.«
    Ich richtete mich auf. Es wurde interessant.
    »Ich schwöre dir, er hat einen Tanz hingelegt, der war filmreif. Jetzt wüsste er, wessen Geistes Kind ich sei. Das wäre SEIN Auto, und ich wäre wohl nur hinter seinem Geld her. Ich würde ihn gar nicht lieben, sondern wolle ihn aussaugen. Ich sei hinterhältig. Er wäre enttäuscht von mir. Ich ...«
    Der Mann war nicht nur krank. Dessen war ich mir sicher. ER war es, der hinterhältig war, und meine naive Mutter fiel auf seine Spielchen auch noch herein. »Merkst duʼs denn gar nicht, Mutter?«, rief ich in den Hörer. Ich konnte in diesem Moment nicht »Mama« sagen. »Merkst du nicht, dass er dich fertigmacht? Merkst du nicht, dass er krank ist?«
    Meine Mutter weinte.
    »Mutter, hör auf zu heulen!«
    Sie schniefte in den Hörer. »Weißt du eigentlich, wie froh ich bin, dass du auch so reagiert hättest? Ich weiß schon nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Der Mann macht mich irre. Und ständig droht er mir, mich rauszuschmeißen.«
    »Hergott noch mal!« Ich verlor langsam die Beherrschung. »Du hast deine eigene Wohnung, du siehst gut aus, du verdienst dein eigenes Geld. Warum gehst du nicht einfach? Warum, verdammt noch mal, verlässt du Jürgen nicht? Er ist ein Schwein. Wach doch endlich auf.« Ich musste aufpassen. Noch mehr solcher Gespräche, und es würde nicht lange dauern, dass ich mein letztes, bislang gut gehütetes Geheimnis preisgeben würde.
    »Er kommt, Christine. Wir sprechen morgen wieder.« Meine Mutter legte auf.
    Seit vier Wochen war ich nun in der Ausbildung. Und jeden Freitag fuhr ich weiterhin nach Waldstadt und ging mit meiner Mutter in die Sauna. Jürgen kam meistens etwas später. Und jedes Mal fuhren wir nach dem Saunabesuch in ein Restaurant zum Essen. Und jedes Mal fuhren wir anschließend in Jürgens Haus, und jeden Freitagabend und Samstagabend lauschte ich angespannt die Treppen hinauf. Und jeden Samstag gab es dasselbe Theater. Der Stall machte um sechzehn Uhr dicht, und wenn ich nicht um halb zwei losfuhr, dann wurde es eng mit Capriola. Jeden Samstag um halb zwei machten die beiden ein Heidentheater.
    »Bleib doch noch. Nie hast du Zeit. Alles wegen diesem Pferd. Komm doch heute Abend zurück. Was willst du denn da in Ruhrstadt.« Und so weiter und so fort.
    Und jeden Samstag bretterte ich wieder einmal viel zu spät über die Autobahn und ärgerte mich maßlos. Jürgen war auf die glorreiche Idee gekommen, mir die tausend Mark in wöchentlichen Rationen auszuhändigen. Jeden Samstag also musste ich um die zweihundertfünfzig Mark

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