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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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Sitzungen.
    Trotz aller sexuellen Harmonie veränderte sich wenig an den Streitereien zwischen mir und Felix. Er zierte sich und zog erst zu mir, als ich mit Trennung drohte. Das war kein schönes Gefühl. Ich hatte mir so vieles anders vorgestellt. Als es darum ging, einen Schrank für Felixʼ Kleidungsstücke zu kaufen, schaute er ständig auf die Preise und regte sich selbst bei Sonderangeboten tierisch auf, wie teuer alles sei. Mitten auf einer Rolltreppe entbrannte ein heftiger und lautstarker Streit. Felix hasste es, wenn wir uns in der Öffentlichkeit stritten. Ihm war Diskretion heilig, ich aber musste manche Dinge an Ort und Stelle klären.
    Als wir Wochen später endlich einen Schrank kauften, konnte ich mich beim besten Willen nicht darüber freuen. So war es auch mit seinem Einzug gewesen: Die permanenten Diskussionen zehrten an meinen Kräften, und wenn dann endlich eine Entscheidung fiel, dann war mir die Freude vergangen. Wir ließen nichts aus: Ferienplanungen (Felix plante niemals ...), Zukunftspläne (»Wozu das denn?«), Heiraten (»Um Gottes willen, mit neunundzwanzig Jahren schon?«), Kinder (»Viel zu jung!«), neue Wohnung (»... hä? Ist doch schön hier?«) und so weiter und so fort ...
    Ich hatte das Gefühl, als lebten wir auf zwei völlig verschiedenen Planeten. Mit seiner Lethargie machte Felix systematisch meine Träume kaputt. Ich war ein Mensch, dem die Träume und die Zuversicht immer Stärke gegeben haben. Ohne Perspektive war ich ein Nichts und sank völlig in mich zusammen. Andere Frauen wurden auf Knien angefleht, ihren Prinzen zu heiraten. Der Meinige ließ sich von mir durchs Leben tragen, und ich empfand diese Last als unerträglich. Ich wusste nicht, woher ich die Kräfte nahm, immer wieder mit Felix zu diskutieren. Was heißt eigentlich »diskutieren«? Ich schwallerte wie wild darauflos, nagelte Felix gnadenlos rhetorisch und argumentativ mit dem Rücken an die Wand, und er schwieg. Er schwieg und machte mich rasend.
    Die Frage, ob dieser Mann mich liebte, beantwortete ich mir selbst damit, dass er immer noch an meiner Seite weilte. In stillen Momenten dachte ich gelegentlich, dass so manch ein anderer vermutlich schon längst das Weite gesucht hätte. Aber solange es Männer gab, die ihrer Holden einen Heiratsantrag machten, sich rührend im Alltag um alles kümmerten und sich sehnlichst einen Thronfolger wünschten, so lange hielt ich an meinem Traum vom Frausein und Geliebtwerden fest. Und ich sah es absolut nicht ein, diesen Traum zu begraben. Felixʼ Art des Liebesbeweises kam bei mir nicht an. Für mich hieß Liebe, sich Gedanken um die Zukunft zu machen, gemeinsame Zukunftspläne zu schmieden, Liebesbeteuerungen, kleine Aufmerksamkeiten und vieles mehr. Eben all das, was ich machte. In dieser Zeit träumte ich oft, dass wir ohne unsere Pferde einen Hindernisparcours absolvieren mussten. Ich sprang über die höchsten Hindernisse und stand anschließend diskutierend hinter dem Hindernis. Felix stand davor und traute sich nicht über die Hürde. Aufgewacht bin ich dann immer, weil ich schrie: »Springen musst du schon alleine. Ich kann dich nicht rübertragen.«
    Die Ausbildung bei der Polizei schritt voran. Ich befand mich in meinem letzten Praktikum. Die Praktika waren eine echte Wohltat. Meine Kollegen waren zumeist so alt wie ich, hatten Familie und dieselben Lebensansichten wie ich. Der Polizeialltag lag mir und passte zu meinem Temperament: Dachte ich in der einen Sekunde noch »Och, ist das langweilig ...«, so rief unser Funker in der nächsten Sekunde schon: »Raus! Raus! Täter am Werk!« Wir lachten viel unter uns Kollegen. Humor lässt einen die Dinge distanzierter sehen und sich vom Geschehen abheben. Ich sah Wohnungen, von denen ich nichts geahnt hatte. Wohnungen von Alkoholikern, die nach Fusel und Abfall stanken und in denen lauter leere Flaschen zwischen schmutziger Wäsche und Dreck lagen. Wohnungen von Junkies, die nach Urin und Kot stanken, wo die Wände mit Fäkalien beschmiert worden waren und die Spritzen und das Stanniolpapier kreuz und quer herumflogen. Wohnungen, in denen sich das Geschirr ganzer Monate selbstständig vorwärtsbewegte und Wohnungen, in denen die verdreckten Toiletten neues Leben hervorgebracht hatten. Es war schier unglaublich, und die Perversitäten kannten keine Grenzen. So also endete man, wenn man aufhörte zu kämpfen. Wenn man keine Kraft mehr hatte und liegen blieb.
    Da wurden Frauen von ihren Männern tagelang ans Bett

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