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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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bislang getan hätten. Auf der einen Seite freute ich mich, dass wir nun auf dem besten Wege waren, eine richtige Familie zu werden. Jürgen war mir sympathisch, und wenn er mit meiner Mutter zusammen war, hielten sich ihre Hasstiraden auf mich in Grenzen. Ich hatte das Gefühl, dass er beruhigend auf sie einwirkte, und sah seine Anwesenheit als große Chance, das angespannte Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter wieder zu kitten. Andererseits war Jürgen noch nicht ganz eingezogen und hielt nun, keine vierundzwanzig Stunden später, einen Monolog, der mir und meiner Mutter verdeutlichte, dass er weit davon entfernt war, ein gemeinsames Familienleben mit uns zu führen. Wenn wir keine Verpflichtungen ihm gegenüber eingehen sollten, dann konnte es mit seinen Verpflichtungen auch nicht weit her sein, dachte ich so im Stillen. Meiner Mutter schien diese Widersprüchlichkeit überhaupt nicht aufzufallen. Sie strahlte ihren Jürgen verklärt an, und Themen wie »Wann kommst du denn zum Mittagessen?« oder »Soll ich dir zum Kaffee Plätzchen besorgen?« lagen ihr deutlich mehr am Herzen.
    Als ich nach der Schule nach Hause kam, rotierte meine Mutter bereits hektisch in der Küche.
    »Lauf schnell zum Lädchen, und hol die Plätzchen mit den Schokostückchen drin«, keifte sie mir entgegen, noch bevor ich die Wohnungstür geschlossen hatte.
    Kaum zurück ertönte ihre Stimme: »Los! Räum den Frühstückstisch ab! Und dann kannst du auch gleich den Tisch fürs Mittagessen decken! Da drüben habe ich Servietten hingelegt!«
    SERVIETTEN? Noch nie gab es in unserem Haushalt etwas so Vornehmes wie Servietten! Ich dachte an den Rosenmontagszug, den ich mir mit Dana in Köln angeschaut hatte: Alle Narren und Jecken gerieten auf einmal in Aufruhr, und plötzlich löste sich die Anspannung, und die Menschen riefen: »Alaaf! De Prinz kütt!« Vielleicht würden auch wir gleich beim Erscheinen von Jürgen Kamelle werfen und Strüssje durch die Luft schleudern ...
    Ich tat, wie mir befohlen. Irgendwie war es auch rührend, wie meine Mutter sich ungeschickt und völlig planlos bemühte, ihrem Jürgen die perfekte Hausfrau vorzuspielen. Von »Ich möchte euch keine Umstände bereiten« war nichts mehr übrig geblieben. »Sie wird sich schon wieder beruhigen«, dachte ich bei mir und bemühte mich, den Tisch so schön wie möglich zu decken, um Streitereien von vornherein aus dem Weg zu gehen. Wenn meine Mutter derart hektisch war, dann konnte sie die kleinste Kleinigkeit zum Explodieren bringen. Der Tisch war gedeckt, und die Bratwürstchen brutzelten in der Pfanne, als sich im Gesicht meiner Mutter ein neues Drama abzuzeichnen schien.
    »Christine! Lauf noch mal ins Lädchen! Ich habe den Nachtisch vergessen!«
    Ich dackelte ein zweites Mal los und brachte drei Dany+Sahne-Töpfchen mit.
    »Ach, übrigens«, sagte meine Mutter, als ich zur Tür hereinkam, »bevor Jürgen kommt, möchte ich, dass du schon mal staubsaugst!«
    Na klar. Der rote Teppich warʼs zwar nicht, den wir zu bieten hatten, aber auch auf lindgrünem Teppichboden sahen Brötchenkrümel blöd aus, und was um Gottes willen sollte Jürgen bloß denken, wenn der Boden nicht gesaugt war? Ich schüttelte unmerklich den Kopf. So langsam, aber sicher hatte ich die Nase voll von diesem »Jürgen-Gehampel«, und ich wollte nur noch meine Ruhe haben. Ich saugte die Wohnung, stellte den Staubsauger zurück und verzog mich in mein Zimmer. Es war mittlerweile halb drei, und um vier war ich mit den Mädels in der Eisdiele verabredet.
    »Christine!«, gellte es durch die Räume. »Verdammt noch mal, was machst du da eigentlich?«, schrie meine Mutter von Weitem.
    Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich saß an meinem Schreibtisch, packte gerade meine Schultasche aus und überlegte verzweifelt, wie ich binnen einer Stunde das Englischreferat hinbekommen sollte.
    »Und lass deine Tür gefälligst auf, oder hast du etwas zu verbergen?«, schrie sie und riss gleichzeitig die Kinderzimmertür heftig auf.
    Alarmstufe ROT war angesagt. Alles in mir war auf der Hut. »Ich reiß mir hier den Arsch auf, und du hockst in deinem Zimmer. Tickst du noch ganz richtig?«
    Ich dachte schon, aber offensichtlich war etwas Gravierendes mit mir nicht in Ordnung.
    »Los! Das Bad muss noch geputzt werden, und vergiss nicht, auch unter der Lokusbrille zu putzen!«
    Während ich die Urinspritzer von Jürgen unter der Brille wegwischte, kochte die Wut in mir hoch. Ich putzte und schrubbte und ließ den

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