Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
evangelische Kirche arbeitete, ihr diesen Urlaub nahegelegt, und in einer Art geistiger Umnachtung hatte meine Mutter das Anmeldeformular unterschrieben. Ich wiederum hatte Anka davon erzählt. Ihre Mutter meldete sie dann auch an, und meine Mutter wiederum hatte Uta vorgeschlagen, Arndt mitzuschicken. Vielleicht wollten alle drei Mütter damals endlich einmal drei Wochen der Sommerferien ohne uns genießen. Wir drei waren jedenfalls völlig begeistert, und für mich sollte es der erste und letzte unbeschwerte Urlaub vor meiner Volljährigkeit sein.
Anka und ich interessierten uns bereits für Jungs, und die mitgereisten Erzieher machten allesamt einen lockeren Eindruck. Als Anka und ich beim Rauchen einer Zigarette am zweiten Tag der Freizeit ein ganzes Weizenfeld abfackelten und mehrere Löschzüge der holländischen Feuerwehr anrücken mussten, um diesen Großbrand unter Kontrolle zu bekommen, waren die Erzieher gar nicht mehr so locker! Gerettet hat uns damals nur, dass wir eisern schwiegen und die völlig Erstaunten mimten. »Nein!«, riefen wir empört. Weder rauchten wir, noch wären wir so unvernünftig, eine brennende Zigarette in ein staubtrockenes Getreidefeld zu werfen. Genau genommen hatten wir das ja auch nicht. Um beim Rauchen nicht erwischt zu werden, hatten wir uns mitten in eine der aufgeschichteten Garben gehockt und waren schleunigst abgehauen, als diese dann über unseren Köpfen zu lodern begann.
In der ersten Woche verliebte ich mich in Manni. Manni hieß eigentlich Manfred und kam aus Hagen. Wenn ich mir heute das Bild von Manni ins Gedächtnis zurückrufe, dann muss ich lachend den Kopf schütteln. Manni hatte dünne, strähnige schulterlange Haare und war ein massiger, stämmiger Junge, der für seine vierzehn Jahre viel zu weit entwickelt war. Den Stimmbruch hatte er längst hinter sich, und er rauchte wie ein Schlot, was wir Mädels natürlich endcool fanden. Er spielte ausgezeichnet Tischtennis, und wir fighteten ein Match nach dem anderen aus.
Ich war mächtig stolz, dass ich mit meinem Gipspanzer die Aufmerksamkeit eines Jungen auf mich gezogen hatte, und knutschte das erste Mal so richtig. »So richtig« hieß bei uns »mit Zungenschlag«, und ich weiß noch genau, dass Manni zwar alles andere als attraktiv aussah, aber vorzüglich küssen konnte.
Eines Abends besuchte ich ihn heimlich im Jungenzimmer, und wir knutschten wie die Besessenen in seinem Bett. Ob nun mit oder ohne Gipspanzer ... »obenrum« zu fummeln gab es bei mir ohnehin nichts. Ich war flach wie ein Brett, hatte noch einige wenige Milchzähne, und meine Menstruation sollte noch weitere drei Jahre auf sich warten lassen. Egal. Mit Manni regte sich auch zum ersten Mal so etwas wie Lust in mir. Irgendwann führte Manni dann meine Hand weiter nach unten, und ich berührte seinen harten Penis. Das war jedoch zu viel für mich, und tatsächlich hatte ich Angst bekommen. Ich stürzte aus seinem Bett und lief zurück in unser Mädchenzimmer. In mein Tagebuch habe ich damals geschrieben, dass ich »es mir nicht verzeihen könne, Manni an seinem Penis berührt zu haben«. Er war mir da doch ein wenig zu forsch gewesen ... Fortan war Manni Luft für mich, und ich sprach beleidigt kein Wort mehr mit ihm.
Umso erstaunter war ich dann, als ich Anka eines Tages mit Manni knutschend im Tischtennisraum antraf. Unglaublich! Kaum hatte ich Schluss gemacht mit ihm, warf sich Anka diesem Lüstling an den Hals. Anka und ich stritten uns wie zickige Weiber, und ich prophezeite Anka den moralischen Verfall, würde sie mit diesem Wüstling zusammenbleiben. Anka gab nichts auf meine Prophezeiungen und genoss ihre erste Verliebtheit, so wie es sich auch gehörte. Als ich in der zweiten Woche dann Ralf kennen lernte, vertrugen wir uns natürlich wieder. Ralf war das krasse Gegenteil von Manni. Dünn und schmächtig war er und total schüchtern. Ich genoss die restliche Freizeit in seinen Armen und hatte die sichere Gewissheit, dass Ralf niemals meine Grenzen überschreiten würde. Er war ein richtig netter Junge und ungemein zärtlich. Ich hatte für meine damaligen Bedürfnisse die optimale Wahl getroffen. Nach der Jugendfreizeit haben wir uns noch einige Briefchen geschrieben, und dann plätscherte diese Sommerbekanntschaft langsam, aber sicher aus.
In der letzten Woche durften die Erzieher dann endlich meinen Gips abmachen. Mit viel Mühe versuchten sie den harten Panzer mit einer Schere aufzuschneiden. Unglaubliche Wolken des Gestanks
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