Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Mann kennen gelernt, und da war es gut, wenn man ein Telefon hatte.
Der Mann hieß Tomas und war der Sohn einer Arztfamilie aus unserer Stadt. Er war überhaupt nicht mein Typ, aber die Tatsache, dass er sich offensichtlich in mich verliebt hatte, aus einer sehr netten Familie kam und mich umwarb, genügte mir völlig. Sexuell spielte ich die mir bekannte Rolle, der schnell stöhnenden und befriedigten Frau, und war froh, dass Tomas keine Ansprüche stellte. Das Thema Sex war ein heikles Thema für mich, und ich vermied es tunlichst, in die Situation zu kommen, Tomas anzufassen. Sex war für mich nur dann erträglich, wenn ich einen Penis möglichst nicht zu sehen, geschweige denn anzufassen brauchte. Ein Penis war nichts, was mich erregte, sondern es war ein Teil, das möglichst schnell in mir zu verschwinden hatte, denn da gehörte es hin, und nur das hatte ich gelernt. Mich in ein Terrain zu begeben, in dem ich mich nicht auskannte, war völlig tabu für mich. Es hätte mich höchstens verunsichert, aber nicht neugierig gemacht. Wenn schon Sex, dann wenigstens so, wie ich es kannte, und so, dass es für mich kalkulierbar blieb. Jeder experimentierfreudige Mann hätte mir damals panische Angst eingejagt!
Als Tomas mich fragte, ob wir uns nicht verloben sollten, waren wir sechs Wochen zusammen, und ich willigte freudig ein. Er bekannte sich zu mir und liebte mich. Das allein reichte mir für ein positives Gefühl. Seine Eltern bestanden darauf, dass Jürgen und meine Mutter eingeladen werden sollten. Zähneknirschend gab ich nach, denn mit Tomasʻ Eltern wollte ich es mir nicht verscherzen. Im Dezember feierten wir unsere Verlobung, und Jürgen und meine Mutter präsentierten sich überaus freundlich und charmant den prüfenden Blicken der Arztfamilie. Als Tomas dann abends erzählte, dass er zum ersten Januar eine neue Stelle als Bürokaufmann suchen würde, weil er aus Frankfurt am Main wegwollte, biederte sich Jürgen an. Ich schrumpfte innerlich zusammen und merkte, wie mir die Übelkeit die Speiseröhre hochkroch. Ich hatte so sehr gehofft, nach dem Abitur zu Tomas nach Frankfurt ziehen zu können, und gleichzeitig schwante mir Böses, als Jürgen und Tomas verschwörerisch die Köpfe zusammensteckten. Nach über einer Stunde strahlte Tomas dann in die Runde und verkündete mit feierlicher Miene, dass er zum ersten Januar 1984 der neue Mann im Büro der Firma Karnasch Elektrische Apparate sei.
Mit leuchtenden Augen nahm mich Tomas in den Arm und fragte mich: »Ist das nicht toll?«
Den Januar über habe ich die nicht enden wollenden Lobeshymnen von Tomas über seinen tollen neuen Chef über mich ergehen lassen. Gern hätte ich ihm erzählt, dass sein Chef alles andere als toll war, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass mir Tomas oder seine Eltern auch nur ein einziges Wort geglaubt hätten. Jürgen präsentierte sich derart seriös und professionell, dass ich absolut chancenlos war. Ende Januar gab ich zum großen Entsetzen von Tomas und seinen Eltern den Verlobungsring zurück. Tomasʻ Eltern warfen mir Undankbarkeit und Dummheit vor, Jürgen mimte den Betroffenen und heuchelte völlige Fassungslosigkeit, und gemeinsam mit meiner Mutter waren sich alle Betroffenen einig, dass ich, Christine Al-Farziz, ein völlig übergeschnapptes Flittchen war.
Ein Flittchen war ich schon deshalb, weil ich im Dezember von Tomas eine Reitstunde bei Körber geschenkt bekommen hatte und wieder so viel Freude am Reitsport hatte, dass ich ein bis zwei Mal pro Woche abends zum Unterricht ging. Meine Mutter hatte nichts Besseres zu tun, als der Mutter einer Freundin von mir zu erzählen, dass Tomas zwar glauben würde, dass ich Reitunterricht nähme, ihre Tochter sich aber in Wirklichkeit auf dem Heuboden »durchbumsen« lassen würde. Ich hätte dieses Treiben meiner Mutter hinter meinem Rücken wohl nie erfahren, wenn ich mich nicht ausgerechnet bei Sarahs Mutter ausgeheult hätte. Es ging mir wirklich schlecht, und ich äußerte, dass ich so sehr darauf hoffen würde, irgendwann ein nettes Verhältnis zu meiner Mutter pflegen zu können. Sarahs Mutter ist dann offensichtlich der Kragen geplatzt, denn sie hätte mir niemals diesen Originalton meiner Mutter zitiert, wenn sie nicht wirklich so erbost gewesen wäre. Ich habe dann im Beisein von Sarahs Mutter meine Mutter angerufen, weil ich das alles nicht glauben konnte.
»Mama!«, fragte ich, »Sarahs Mutter hat mir erzählt, dass du in der Stadt verbreitest, ich würde bei
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