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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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leidenschaftliche, aber auch cholerische Art. Und einen Tag später Geburtstag als ich. Zwei Skorpione, das lief nicht ohne Brisanz ab.
    Léon war der Mann, der mir half, den Weg aus der Bulimie zu finden. Ich vertraute mich ihm an, und fortan kochte er literweise Gemüsesuppen, bereitete riesige Schüsseln mit Salat zu und verwöhnte mich kulinarisch mit Kurzgebratenem und Fisch. Ich musste ihm versprechen, nie wieder einen Finger in den Hals zu stecken und zu lernen, verantwortlich für meinen eigenen Körper zu sein. Das hatte zur Folge, dass die nur langsam abklingenden Fressattacken ihren Niederschlag im Körpergewicht fanden. Es gab eine Zeit, in der mich die Franzosen nur gros cul nannten, das heißt so viel wie »dicker Hintern«. Ihre Art der Frotzelei war im Vergleich zu dem, was ich mir von meiner Mutter anhören musste, harmlos und überdies noch nett gemeint. Als bei Klaus-Peter die große Waage, mit der sonst die Paletten Fleisch abgewogen wurden, die fünfundachtzig Kilogramm überschritt, stand für mich fest, dass nur das Essen mit Genuss und nur das Essen in Maßen Abhilfe schaffen konnte.
    Ich begann, mit Claudia regelmäßig Tennis zu spielen und regelmäßig im Pool zu schwimmen. Gleichzeitig gewöhnte ich mir an, »nein danke, ich mag nicht« zu sagen, selbst wenn mir das Wasser im Munde zusammenlief. Dieser Satz »nein danke, ich mag nicht« war wie eine Selbsthypnose, und irgendwann merkte ich, dass ich tatsächlich meinte, was ich sagte. Als ich mich von der Baustelle aus bei der Deutschen Lufthansa in Frankfurt bewarb, hatte ich bereits über zwanzig Kilo abgenommen und seit geraumer Zeit keinen bulimischen Rückfall mehr erlitten. Die Beziehung zu Léon war geprägt von einem Wechselspiel zwischen Hass und Liebe. Dieser Mann zog mich in seinen Bann, und er konnte unglaublich lieb und charmant sein. Allerdings war er weit davon entfernt, eine unselbstständige Frau attraktiv zu finden, und so drängte er mich dazu, mich als Flugbegleiterin zu bewerben. Er selbst hatte vor, nach seinem letzten Examen in Frankreich Pilot bei der Air France zu werden. Ein Jahr nach meiner Ankunft in Mali war aus mir eine schlanke junge Frau geworden. Ich entwachste mir regelmäßig die Beine, zupfte mir die Augenbrauen und begann langsam, aber stetig mehr Wert auf mein Äußeres zu legen. Eines guten Tages dann erhielt ich einen Brief von der Deutschen Lufthansa. Darin enthalten ein Flugticket von Dakar nach Frankfurt und der Termin für ein Vorstellungsgespräch und die Eignungstests.
    Ich brauchte das Ticket nicht. Die CASA musste zur Inspektion nach Sevilla, und ich durfte mitfliegen. Der Flug über die Pyrenäen ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben, denn oft sah es so aus, als würden wir jeden Augenblick die Bergspitzen berühren. Unseren ersten Stopp legten wir in Casablanca ein, der Stadt, in der einst Humphrey Bogart gedreht hatte. Den nächsten Abend schon verbrachten wir in einer kleinen heimischen Kneipe in Sevilla, wo der Rotwein in Strömen floss und die Frauen spontan aufstanden und auf den Holztischen Flamenco tanzten. Den Abend in Sevilla werde ich nie vergessen. Es war eine heitere, feurige und temperamentvolle Stimmung in der Kneipe, und die Männer hatten eine faszinierende Gabe, die Frauen beim Tanz anzufeuern und sie zu bewundern, ohne dabei vulgär zu wirken. Und die Frauen? Die beeindruckten mich zutiefst. Sie provozierten und reizten, klimperten mit den Augen und trugen die Schultern stolz und erhaben. Niemand wäre auf die Idee gekommen, solche Frauen als Huren zu bezeichnen, nur ich dachte zwischenzeitlich an das verschrobene Frauenbild, das meine Mutter mir vermittelt hatte. Erotik hatte so gar nichts mit Verderben oder moralischem Untergang zu tun, das stellte ich an diesem Abend in Sevilla fest.
    Von Sevilla aus flogen Léon und ich mit Swissair nach Genf und wurden dort von seiner Familie abgeholt. Eine lebhafte und warme familiäre Atmosphäre schlug mir in Annecy bei den Eltern von Léon entgegen, und ich befand mich mitten in einer Großfamilie, an deren Tisch an guten Abenden über zwanzig Personen speisten. Drei Tage später fuhr ich dann mit dem Zug nach Kassel und besuchte Renata, die Ehefrau von Klaus-Peter. Renata musste ich unbedingt besuchen, denn sie hatte mir von einer Wahrsagerin erzählt, die einsame Spitzenklasse sein sollte.
    Als ich am nächsten Morgen bei der Wahrsagerin im Wohnzimmer saß, schaute sie sich meine Hände an, legte die Karten und pendelte

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