Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
reicheren Land Senegal verkaufen konnte. Eine tolle Idee, dachte ich damals.
Mali heißt auf Bambara »Grab des weißen Mannes«, denn Mali ist Malaria- und Bilharziose-Gebiet Nummer eins in ganz Afrika. Die Menschen dort starben ohnehin schon wie die Fliegen, aber dann kam das Projekt und verwandelte das fließende Gewässer des Bafing in ein riesiges stehendes Gewässer. Die Bilharziose kann sich NUR im Bereich von stehenden Gewässern ausbreiten, denn die Larven, die im Wasser abgelegt werden und sich genüsslich und unbemerkt durch die Haut der Menschen bohren, im menschlichen Körper weiterentwickeln und nach Monaten dann jeden erdenklichen Weg durch die menschlichen Körperöffnungen nutzen, um wieder ans Tageslicht zu kriechen, diese Larven leben ausschließlich in stehenden Gewässern.
Die blutunterlaufenenen Augen vieler Schwarzafrikaner in Mali rühren von der Bilharziose, weil sich in diesen Fällen die Larven den Weg durch die Augen gesucht haben. Die Krankheit war damals unheilbar, und ich bin mir nicht sicher, ob man ihr heutzutage Herr wird.
Nachdem der Staudamm fertig gestellt worden war, holzte man das Areal in Bodenseegröße gnadenlos ab. Unzählige Tonnen von Ebenholz gingen dabei drauf, und ebenso unzählige Dörfer wurden umgesiedelt. Für die Menschen und Familien dort begann ein unvorstellbares Leid, denn sie verstanden nicht, warum ausgerechnet ihre Generation nach Jahrhunderten dort wegziehen sollte. Eine amerikanische Firma hatte damals die Aufgabe, die Menschen umzusiedeln, und ein finanziell supergroßzügiges Angebot der Firma, für sie zu arbeiten, hatte ich, rückblickend betrachtet, zum Glück abgelehnt. Einen solchen Job der Radikalentwurzelung hätte gerade ich psychisch nicht durchgestanden.
Als alles abgeholzt und leergeräumt war, wurde der See aufgestaut. Und kurz nachdem die ersten Baustellenarbeiter Motorboote und Wasserski in den tiefen Busch geschafft hatten, erstarb das Projekt. Die Gelder gingen aus, und die Finanziers weigerten sich, Geld nachzuschießen. Heute beherrschen Bürgerkriege und Stammesfehden das Land, das für mich einst Freiheit bedeutet hat.
Ich hatte in den ersten Wochen in Manantali ganz andere Sorgen. Timo drängte darauf, dass ich die Baustelle verlassen sollte, und ich brauchte dringend einen Job, weil ich ganz und gar nicht aus Mali fortwollte. Klaus-Peter, der Leiter der Kantine und des Baustellensupermarktes Edeka (kein Scherz!), setzte dem ganzen Trara schließlich ein Ende, und einen Monat nach meiner Ankunft arbeitete ich als Küchenhilfe und Aushilfskraft im Supermarkt. Erfahrung hatte ich schließlich bereits zur Genüge in meiner Jugendzeit im Lebensmittellädchen gesammelt, und Klaus-Peter war von meinem Fleiß und meiner raschen Auffassungsgabe begeistert. Mit dem Job erhielt ich auch eine eigene kleine Containerwohnung, die von meinem Vorgänger liebevoll eingerichtet worden war. So komfortabel hatte ich noch nie gewohnt. Eine schöne Couchgarnitur, eine komplette Einbauküche, ein großes Bett aus Mahagoni und einen eigenen Garten hatte ich bis dato noch nie besessen. Für mich begann damit eine meiner schönsten Zeiten.
Meine neuen Bekannten und Freunde mochten mich, und ständig wurde ich abends eingeladen und lernte viele neue Leute kennen. Es war rückblickend betrachtet einer der wichtigsten Lebensabschnitte für mich, denn zum ersten Mal konnte ich feststellen, dass die Menschen, die unbeeinflusst von Jürgen und meiner Mutter waren, mein fröhliches Gemüt und meinen Humor schätzten. Auf der Baustelle wurden Engagement und umsichtiges Handeln honoriert, und endlich lernte ich das Gefühl kennen, mit meiner Arbeit zufrieden sein zu dürfen. Es wurde viel gefeiert und sehr viel Wert auf Freundschaften gelegt, und die Tatsache, dass Timo mich abgeschossen hatte, bereitete mir nicht eine Sekunde lang Kopfschmerzen. Abgesehen davon, lernte ich wenige Wochen später Léon kennen, den Copiloten der CASA. Durch Léon geriet ich in eine Franzosen-Clique und lernte binnen drei Monaten die französische Sprache. Ich war mittlerweile in der Buchhaltung mit einem Arbeitsvertrag eingestellt worden und hatte mich mit dem Ehepaar, das für den Auslandszahlungsverkehr und die Bilanzen zuständig war, angefreundet. Mit Götz und Claudia, Klaus-Peter und Renata und den Franzosen verbrachte ich unzählige schöne Stunden.
Léon war zehn Jahre älter als ich und machte einen weltmännischen Eindruck. Er hatte eine distanzierte, zugleich
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