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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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meine Stimme geklungen hatte. Richard war sehr beeindruckt und ließ mich das auch wissen.
    »Mann, dem hast du echt gezeigt, wo der Frosch seine Locken hat!«
    »Seine Locken? Was heißt das denn?«
    »Weiß ich auch nicht genau, hab ich mal gehört. Du warst super da drin.«
    »Danke.«
    Als wir an Harriman’s Feed and Seed vorbeigingen, kam gerade Mr Chapman heraus. Er hatte einen durchgeschwitzten braunen Hut auf und trug einen großen Sack Dünger auf den Schultern. Zuerst sah er uns gar nicht. Wir erstarrten. Er stieg die Stufen zum Bürgersteig herunter und warf den Sack auf die Ladefläche seines alten, klapprigen Lieferwagens, wo er einem halben Dutzend anderer Säcke Gesellschaft leistete.
    Als Chapman aufschaute, entdeckte er uns. Auf sein Gesicht legte sich ein Ausdruck, den ich gar nicht beschreiben kann. Seine Miene blieb seltsam leer, aber seine Augen – in ihnen lag ein so düsterer, boshafter Blick wie bei einem sterbenden Tier.
    »Du!«, sagte er zu Richard. »Auf dich wartet noch eine Tracht Prügel.«
    »Von dir krieg ich keine Prügel mehr«, sagte Richard.
    »Ach ja?«, sagte Chapman. »Keine Prügel mehr?«
    »Nein, Sir, keine Prügel mehr.«
    Ich spürte, wie Richard sich neben mir verkrampfte.
    Chapman blitzte mich wütend an. »Und du und dein hochnäsiger Vater, und deine Schwester, diese kleine Schlange ...«
    »Halten Sie den Mund«, sagte ich. »Ich sag’s meinem Daddy, wenn Sie mich oder Richard auch nur mit dem kleinen Finger anrühren. Und dann kommt er zu Ihnen nach Hause und rammt Sie ungespitzt in den Boden.«
    »So so, tut er das?«, sagte Chapman.
    »Hat er ja letztens fast getan«, sagte ich, »und da hat er sich noch nicht mal Mühe gegeben.«
    »Ich sollte dir deinen vorlauten kleinen Hintern mit dem Gürtel versohlen.«
    »Du wirst keinem von uns den Arsch versohlen«, sagte Richard. »Mich hast du das letzte Mal verdroschen, alter Mann.«
    Chapman starrte ihn an. »Bei unserm Herrn Jesus Christus, du bist nicht mein Sohn. Jetzt nicht mehr.«
    »Das war ich sowieso nie«, sagte Richard.
    Chapman kicherte wie eine unheimliche Märchenfigur, drehte sich um, stieg in seinen Lieferwagen und fuhr davon.
    Ich schielte hinüber zu Richard. Sein Kinn lag fast auf seiner Brust, seine Schultern waren herabgesunken. Er sah aus, als hinge er an einem Galgenstrick.
    Ich packte ihn am Arm. »Komm, wir gehen nach Hause.«

22
     
    In dieser Nacht hörte ich Richard, der neben dem Bett auf seiner Decke lag, leise wimmern, und ab und zu entfuhr ihm ein Schluchzer. Nub, der es sich neben mir bequem gemacht hatte, setzte sich auf und wandte den Kopf.
    Ich stützte mich auf die Ellenbogen und sah ebenfalls zu Richard hinunter.
    Leise rief ich seinen Namen, aber er antwortete nicht.
    Ich zog Nub näher an mich heran und schlief wieder ein.
     
    Am Sonntag schaute Drew vorbei und fragte, ob Callie auf eine Spazierfahrt mitkommen dürfte. Daddy musterte Drew eine Weile. Er gab ein völlig anderes Bild ab als Chester. Er war ordentlich gekleidet, mit einem weißen Sakko, braunen Hosen, einem dunklen Hemd und weißen Schuhen.
    Schließlich sagte Daddy: »Sie darf mit, wenn ihr Stanley und Richard mitnehmt.«
    Drew versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber ihm stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
    »Daddy«, sagte Callie, »ich will nicht, dass sie mitkommen.«
    »Das mag ja sein, aber ich will es.«
    Daddy versuchte natürlich, Drew ein paar Steine in den Weg zu legen, indem er dafür sorgte, dass Callie und Drew nicht die ganze Zeit für sich waren. Es war ein aussichtsloser Kampf, doch es war der Kampf unzähliger liebender Väter auf der ganzen Welt.
    Dennoch war er bei dieser Abmachung auf unsere Mitarbeit angewiesen. »Na, Jungs, Lust auf eine Spritztour?«, fragte Daddy.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Eigentlich würde ich lieber hierbleiben und mit Richard Schach spielen. Ich bringe es ihm bei.«
    »Richard?«, fragte Daddy.
    »Ja, Sir. Ich würde gern Schach spielen. Ich meine, eine Spritztour wär auch ganz gut, aber ich weiß nicht genau.«
    »Sieht aus, als hätten wir einen gemeinsamen Fernsehabend im Wohnzimmer vor uns«, sagte Daddy.
    Drew begriff, dass eine kleine Bestechung fällig war. »Ich spendiere eine Runde Eis im Dairy Queen . Und dann gondeln wir einfach ein bisschen durch die Gegend.«
    Richard und ich sahen uns an. »Alles klar«, sagte ich.
    »Callie soll nicht zu spät nach Hause kommen«, sagte Daddy. »Morgen fängt die Schule an.«
    »Ja, Sir«,

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