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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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war eine eiserne Wendeltreppe, die zwischen zwei Kiefern ebenerdig ansetzte und sich bis zu einer Höhe von fast zehn Metern hinaufwand, immer wieder durchkreuzt von Zweigen, die durchs Geländer ragten, bis Bäume und Stufen eins waren.
    Ich musterte die rostige Treppe und sah, dass sie nicht richtig auf der Erde auflag. Sie war mehrere Zentimeter vom Boden angehoben worden. Ich griff danach und zog.
    »Mach das nicht«, sagte Callie. »Wenn du sie runterziehst, fällt sie dir auf den Kopf.«
    Ich stieg ein paar Stufen hoch. »Die hält, Callie. Ich könnte bis ganz nach oben gehen.«
    »Lass es lieber.«
    »Glaubst du, ein Tornado hat das Haus erwischt?«
    »Weiß ich nicht. Was auch immer es war, jedenfalls ist es nicht erst vor Kurzem passiert. Aber allzu lang kann es auch noch nicht her sein. Die große Eiche steht da bestimmt schon seit Ewigkeiten, aber die Kiefern sind noch jung. Wahrscheinlich ist die Eiche früher mal im Vorgarten gewachsen, und die Kiefern da sind erst später dazugekommen. Guck mal.«
    Callie bückte sich und hob ein Stück Holz auf, das zur Hälfte unter Kiefernnadeln verborgen gelegen hatte.
    Sie reichte es mir. Das Brett war keine 30 Zentimeter lang, schartig und dunkel angelaufen. Es zerbröselte in meiner Hand und färbte meine Finger schwarz.
    »Ein Feuer, Stanley. Das Haus ist abgebrannt, und die übrig gebliebenen Teile wurden von den Bäumen mit der Zeit immer weiter nach oben getragen. Ist das nicht erstaunlich?«
    »Das ist unheimlich.«
    »Es muss ein ganz schön großes Gebäude gewesen sein, Stanley. Ich wette, das hier war die Mitte. Das Herz des Hauses.«
    »Du meinst, es war eine Villa?«
    »Scheint so. Wenn ja, dann könnte es sein, dass die Kiste überhaupt nicht vergraben wurde, sondern bei dem Feuer durch die brennenden Bodendielen gefallen und nach und nach unter verschiedenen Schichten verschwunden ist. Gras ist drübergewachsen, mit dem Regenwasser wurde Erde drübergeschwemmt. Der ganze Boden ist ein bisschen abgesackt. Und dann lag sie da, bis du und Nub sie gefunden habt.«
    Nub konzentrierte sich bereits wieder ganz auf das Eichhörnchen. Es lief einen Zweig entlang, sah zu Nub herunter, ließ dieses eigenartige Schnattern hören, das Eichhörnchen machen, und schwang seinen Schwanz.
    Dann gelang es Nub, an dem leicht schrägen Eichenstamm emporzuspringen, und nun hockte er auf einem niedrigen Ast und kläffte das Eichhörnchen an.
    Callie lachte und sagte: »Hol die blöde Töle da runter, bevor sie kopfüber runterknallt.«
    Ich rief Nub zu mir, aber er kam nicht. Schließlich kletterte ich hinauf und schnappte ihn mir, ließ mich mit den Füßen vom Ast baumeln und reichte Nub an Callie weiter. Dann zog ich mich wieder hoch und kraxelte vom Baum.
    »Böser, böser Hund«, sagte ich und tätschelte Nub den Kopf.
    Als wir den Wald verließen, forderte das Eichhörnchen mich laut schnatternd auf, seinen Spielkameraden zurückzubringen.
     
     

4
     
    Callie wollte sich die Briefe und die Tagebucheinträge noch einmal genauer ansehen, aber es war schon fast Abendessenszeit, und danach mussten wir das Autokino für die Vorstellung vorbereiten.
    Samstag war immer der große Abend. An diesen Abenden war Daddy besonders aufgeregt. Rastlos lief er umher, rang die Hände und trank in Wasser aufgelöstes Backpulver, um seinen Magen zu beruhigen.
    Nach einem guten Samstag hatten wir manchmal bereits das Geld für die ganze Woche beisammen. Alle anderen Einnahmen von Montag bis Freitag waren dann lediglich das Sahnehäubchen obendrauf. An Samstagen kamen die Familien und die Pärchen; die Massen strömten herbei, um den Göttern auf der großen weißen Leinwand zu huldigen.
    Da Rosy Mae samstags frei hatte, hatte es sich bei uns eingebürgert, dass wir ein Fertiggericht aßen, manchmal auch Hotdogs oder Hähnchen aus der Imbissbude. Aber an diesem Abend – wahrscheinlich weil Mom uns daran erinnern wollte, dass sie sehr wohl kochen konnte, wenn es sein musste – gab es eine richtige Mahlzeit mit gebratenem Schinken, grünen Bohnen mit Speck, brauner Soße und einem Kartoffelpüree, das so leicht und luftig war, dass man es in die Luft hätte werfen können, und es wäre wie ein Wölkchen davongeschwebt. Es schien, als wollte Mom sich mit Rosy messen. Und so toll ihr Essen auch schmeckte, das war, als wollte sie mit einem Full House gegen ein Royal Flush anstinken.
    Wir waren schon fast fertig mit dem Essen und wollten gerade mit den Vorbereitungen für den Abend

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